Herbert Howells

Organ Music: Rhapsody & Psalm-Prelude

Adriano Falcioni an der Lewis-Orgel (1911) in Sotto il Monte Giovanni XXIII (Italien)

Verlag/Label: Brilliant Classics 96983 (2023)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2024/03 , Seite 62

Bewertung: 3 von 5 Pfeifen

Herbert Howells ist hierzulande ein eher unbekannter Name. In England gehört der 1892 in Gloucestershire geborene und 1983 in London gestorbene Komponist zu den viel ge­sungenen Schöpfern kirchenmusikalischer Werke; auch seine Orgelwerke stehen oft auf dem Programm.
In den 1990er Jahren erschien eine Gesamteinspielung aller Orgelwerke Howells bei Priory auf drei CDs. Auch existieren bereits einige wenige andere CDs, die ausschließlich dem Orgelschaffen Howells gewidmet sind. Mit Brilliant wagt sich nun mit Unterstützung des Herbert Howells Trust ein vielgekauftes Label an Howells Orgelmusik. Der Organist Adriano Falcioni, Hauptorganist der Kathedrale von Perugia, ist bei Brilliant viel beschäftigt; er hat bereits Gesamtzyklen u. a. der Orgelwerke von Brahms, Franck und Liszt vorgelegt. Warum sich das Label, das für seine günstigen Gesamteinspielungen bekannt ist, in diesem Fall nur für die Produktion einer CD entschieden hat, bleibt unklar. Eine leicht zugängliche Gesamteinspielung wäre durchaus wünschenswert.
Howells zwischen 1915 und 1918 entstandene 3 Rhapsodies op. 17 machen ihrem Titel alle Ehre. Die Musik plätschert rhapsodisch dahin, ohne dass wirklich viel von ihr hängenbliebe. Sie wirkt wie gottesdienstliche Improvisation. Am interessantesten sind noch die in der Orgelmusik seltenen Tonarten Des-Dur (Nr. 1) und cis-Moll (Nr. 3). Interessanter erscheinen die gleichzeitig (1915–16) entstandenen, aber erst 1932 veröffentlichten 3 Psalm-Preludes op. 32. Das erste Prelude d-Moll bezieht sich auf Psalm 34, das ruhige zweite vertont Worte aus Psalm 37, und das dritte in c-Moll hat die berühmten Worte aus Psalm 23 „und ob ich schon wanderte im finsteren Tal …“ zur Grundlage.
Schade ist, dass nur die erste Hälfte der Six Pieces for Organ eingespielt wurde, machen die drei aufgenommenen Stücke aus dem Zyk­lus doch den interessantesten Teil der CD aus. Mit ihrer Kombination aus Altem und Neuem zeigen das Preludio Sine nomine, die Saraband „In modo elegiaco“ und Master Tallis’s Testament die spannende Neu-Interpretation englischer Renaissance-Musik durch einen Komponisten in der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Der informative Einführungstext von Giulio Gelsomino ist (wie fast immer bei Brilliant) leider nicht auf Deutsch zu lesen. Auch fehlt die genaue Disposition der 1911 in Richmond (London) gebauten Lewis-Orgel, die 2015 nach Sotto il Monte Giovanni XXIII, einem kleinen Dorf bei Bergamo, verbracht wurde, wo im März 2022 die Aufnahme entstand. Laut Booklet stellt die Orgel eine persönliche Synthese moderner deutscher und französischer Orgelbaukunst innerhalb eines englischen Rahmens dar. Leider bleibt die Aufnahmetechnik ein wenig zu dumpf, um dies wirklich hören zu können.
Insgesamt eine CD mit gut interpretierter, in Deutschland selten zu hörender englischer Orgelmusik und schon allein deshalb empfehlenswert.

Christian Münch-Cordellier