Janca, Jan

Organ Music / Choir Music, Vol. 3

Verlag/Label: Dabringhaus und Grimm MDG 606 1572-2 (2009)
erschienen in: organ 2010/03 , Seite 57

Bewertung: 3 Pfeifen

Dass der 1933 im Freistaat Danzig geborene Jan Janca mitten aus der kirchenmusikalischen Praxis kommt, merkt man seinen Kompositionen für Orgel und Chor an, die auf der vorliegenden CD – als dritte Sequenz einer Editionsreihe – veröffentlicht sind. Janca studierte von 1950-55 an der Hochschule in Krakau Orgel, Cembalo, Klavier und Komposition. Als „freier“ Organist war er dann für den Staatlichen Polnischen Rundfunk an der Kathedrale zu Oliva verpflichtet und konzertierte auch im Ausland. Anlässlich eines Aufenthalts 1957 in der Bundesrepublik blieb er im Wes­ten und studierte von 1958-62 an der Musikhochschule Stuttgart Komposition bei Johann Nepomuk David. Von 1966-69 nahm er regelmäßig Privatunterricht bei Marcel Dupré in Paris. Janca war später vielfältig als Organist und Musikpädagoge tätig und hat sich daneben durch Forschungen in der Musik- und Orgelbaugeschichte verdient gemacht.
Abgestimmt auf den Gebrauch im Gottesdienst ist Jancas Sammlung Das Kirchenjahr in 16 Choralvorspielen. Von dem etwas ausgreifenderen, über vierminütigen Vorspiel „Es sungen drei Engel“ abgesehen bleiben die anderen Vorspiele sämtlich unter zwei Minuten (oder liegen nur knapp darüber). Weiterer Vorzug für die praktisch-liturgische Verwendung ist das durchweg deutliche Heraustreten des zugrunde liegenden Cantus firmus, der stets eine reizvolle, harmonisch farbige Einkleidung erfährt. Vorwiegend handelt es sich um traditionelle, zum ökumenischen Kernrepertoire zäh­lende Choräle; doch zwei „neue Lieder“ sind in ebenfalls in den Kanon einbezogen: „Kommt herbei, singt dem Herrn“ und „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“, Letzteres erfährt durch Janca eine rhythmisch-swingende Behandlung.
Zusammen mit dem tänzerisch daherkommenden Rondo für Orgel wurde Das Kirchenjahr als Kompositionsauftrag der Gesellschaft der Orgelfreunde bei der internationalen Orgeltagung 2006 in Güstrow von Wolfgang Baumgratz uraufgeführt – und wird auf der vorliegenden CD von ihm auf der spätromantischen Wilhelm-Sauer-Orgel im Dom zu Bremen wiedergegeben. Klares Herauszeichnen der melodischen Verläufe und Fantasie im Ausnutzen des üppigen Regis­ter­fundus des rund hundertsimmigen Instruments zeichnen Baumgratz’ Interpretation aus.
Französischen Esprit atmet dagegen die Small Suite in 5 Movements, die eine adäquate, in den Einzelsätzen jeweils auf Einheitlichkeit des Charakters setzende Realisation durch Andreas Sieling an der Karl-Schuke-Orgel in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche erfährt, vom gravitätischen „Entrée“ angefangen, über eine „Cantilène“ mit schwebenden Oberstimmen bis hin zur mitreißenden, motorisch bewegten Final-Toccata.
Abgerundet wird das kleine Komponistenporträt Jan Jancas durch eine gelungene Einspielung seiner Missa Orbis factor durch den Kammerchor „Opus Vocale“ unter Leitung von Volker Hedtfeld. Das überschaubar dimensionierte Werk wurde 2005 im Dom von Sankt Gallen während der 10. Schweizerischen Konferenz für Liturgiegestaltung uraufgeführt und verwendet in seinem ein- bis dreistimmigen Chorsatz die vollständige gregorianische XI. Messe, die allerdings mit effektvoll-raffinierten Orgelklängen kombiniert wird, so dass sich gelegentlich sogar bitonale Eindrücke ergeben. Die Organistin Felizitas Rodach sorgt für die harmonische Grundierung, hat jedoch ebenso Gelegenheit, in kurzen Prae- bzw. Interludien hervorzutreten, in denen die Orgel entsprechend die Choral-Motive übernimmt.

Gerhard Dietel