Ottorino Respighi

Opera omnia per organo

Verlag/Label: Tactus TC 871803 (2017)
erschienen in: organ 2017/04 , Seite 57

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Ottorino Respighi ist dem Konzertpublikum weltweit als Schöpfer farbenreicher post-impressionistischer Musikwerke – in teils monumentaler Besetzung – wie Pini die Roma oder Fontane die Roma, Feste Romane oder der Balletsuite Gli uccelli geläufig. Seine sonstige Musik, geschweige denn seine Orgelwerke sind dagegen kaum oder äußerst selten zu hören.
Der italienische Organist Andrea Macinanti hat an den Konservatorien von Bologna und Parma (Norditalien) und bei Klemens Schnorr in München studiert. Nach einiger Recherche hat er es sich zur Aufgabe gemacht, das gesamte Orgelœuvre Respighis auf CD einzuspielen. Als Instrumente hat er die (mechanischen) Orgeln der Kathedrale von Saluzzo (Serassi/Vegezzi-Bossi) und die Mascioni/Zanin-Orgel des Konservatoriums in Udine gewählt. Leider geht die jeweilige instrumentale Zuordnung der Einzeltracks aus den Booklet-Angaben nicht klar hervor.
Ottorino Respighi wurde 1879 in Bologna geboren und betrieb dort auch seine ersten musikalischen Studien. Nach Stationen in Sankt Petersburg, als Schüler von Rimsky-Korsakov, ging er nach Berlin, wo er gemeinsam mit Max Bruch und Ferruccio Busoni arbeitete. Später wurde er Professor und Direktor des Konservatoriums Santa Cecilia in Rom und erlangte durch sein populäres kompositorisches Werk Weltruhm. Obwohl er weder innerlich noch äußerlich dem Faschismus na­he­stand, wurde er als Musiker von Mussolini hoch belobigt – wohl einer der Gründe, weshalb seine Musik, außer den o. g. Werken, nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst kaum noch zu hören war.
Die interessantesten Orgelstücke auf dieser CD sind zweifelsohne die Tre Preludi von 1910, die in ihrer chromatischen Schreibweise und ih­ren Bach-Choral-Reminiszenzen von Reger und Busoni beeinflusst sind. Auch die Orgelsolobearbeitung der Aria in g-Moll, die später in der Suite für Orgel und Streicher noch einmal zusammen mit Orches­ter erscheint, hat große Reize, während die kleineren, nicht veröffentlichten Stücke eher Gelegenheitsmusiken sind.
Macinanti Spiel ist einfühlsam und klar. Seine Wahl der Instrumente hingegen überzeugt nicht, da hätte eine (pneumatische) Vegezzi-Bossi-Orgel mit den entsprechenden Spielhilfen weitaus eher das Timbre der Zeit und des pompösen Stils getroffen als eine umgebaute Orgel der Opernepoche des italienischen Orgelbaus bzw. ein hörbar neobarockes Instrument. Die gewählten Instrumententypen erscheinen auf der Aufnahme doch sehr einseitig diskantlastig, so dass das polyphone Geflecht der Mittel- und Unterstimmen im Höreindruck klar zu kurz kommt. Wohl aufgrund der unterschiedlichen Aufnahmedaten (2001/15), geänderter Aufnahmetechnik und Mikrofonaufstellung ergibt sich zudem ein divergentes Bild der Orgel in Saluzzo. Die zusammen mit dem engagierten Jugendorchester des Konservatoriums Udine eingespielte Suite in g-Moll für Streichorchester und Orgel kommt ein wenig massig und pastos daher. Das Booklet (ital./engl.) ist informativ und gut gestaltet, hoher Repertoirewert.

Stefan Kagl