Trevor Grahl

Of Ancient Days

Trevor Grahl und Francesca Ajossa an Orgeln im „Orgelpark“ Amsterdam

Verlag/Label: Cobra Records COBRA0089 (2023)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2024/01 , Seite 63

Bewertung: 5 von 5 Pfeifen

Eine im wahrsten Sinn des Wortes „un-erhörte“ Produktion! Zum einen, weil sie erstmals die 2018 entstandene Komposition Of Ancient Days von Trevor Grahl (geb. 1984) präsentiert; zum anderen, weil sie das Wagnis eingeht, zwei Welten miteinander in Beziehung zu setzen, die so weit voneinander entfernt zu sein scheinen wie der Mars von der Erde! Denn Trevor Grahl, der kanadisch-niederländische Allround-Künstler, stellt auf der neuen Scheibe nicht nur seine eigene Musik zur Diskussion, sondern kombiniert sie mit Johann Sebastian Bachs Partita „Sei gegrüßet, Jesu gütig“: Ein Juwel barocker Orgelkunst trifft auf die höchst innovative musikalische Sprache des 21. Jahrhunderts!
Bachs Partita bekommt – im Wechsel mit der Musik Grahls – eine gliedernde Funktion: Aufgeteilt in sechs Abschnitte und gespielt von Francesca Ajossa, liefert sie den Kontrapunkt zu Grahls Erzählung von der Erschaffung der Welt, die im Zentrum steht: sieben starke und energiegeladene Bilder, der alttes­tamentlichen Genesis folgend. Das Firmament entsteht, die Meere, Flora und Fauna – schließlich auch das menschliche Wesen.
Trevor Grahl (der sein eigener Interpret ist) und Francesca Ajossa greifen dabei auf Ressourcen zurück, die es weltweit nur ein einziges Mal gibt: im Amsterdamer „Orgelpark“. Für die Bach-Variationen stand die sogenannte „Utopa Barock-Orgel“ zu Verfügung: 33 zauberhafte Register auf zwei Manualen und Pedal, die sich am Klangbild von Zacharias Hildebrandt orientieren. 2018 zeichneten gleich vier Werkstätten verantwortlich für den Bau dieses Instruments. Grahl dagegen entfal-tet seine ungemein fantasievollen Schöpfungspanoramen auf der 1922 erbauten Sauer-Orgel (II, P/31). Seine Musik ist aber nicht vorstellbar ohne die innovative Technik, die hier im „Orgelpark“ zur Anwendung kam und deren Herzstück ein digitaler Spieltisch ist. Von diesem aus lassen sich beide Orgeln ansteuern, beide verfügen über Einzeltonwindladen und machen so die umfassende Anwendung der SINUA-Technologie möglich: Hard- und Software des Unternehmens bieten eine schier unerschöpfliche Quelle an Klangmöglichkeiten (vgl. meinen Beitrag über dieses digitale Steuerungssystem in organ 3/2018). Auch neue Arten der Steuerung des Luftstroms beider Orgeln und vieler anderer Parameter erweitern das Klangspektrum enorm.
Wer neugierig ist auf zukunftsweisende und in jedem Moment überraschende Orgelklänge, kommt um die CD Of Ancient Days auf gar keinen Fall herum – und kann sich über Bachs Partita freuen, angelegt mit äußerst fein dosierter Agogik, sehr natürlichem Atem und interpretiert auf einem wunderschönen Instrument.

Christoph Schulte im Walde