Nuovi Fiori Musicali

Neue Musik für historische Orgeln, hg. von Reinhard Jaud

Verlag/Label: Doblinger 02470
erschienen in: organ 2012/02 , Seite 58

Die hier umgesetzte Idee „Neue Musik für alte Orgeln“ ist ein beachtenswerter – wenn auch nicht neuer – Ansatz, historische Orgeln für zeitgenössische Musik nutzbar zu machen. Jedes der ausgewählten historischen Instrumente ist mit einem Foto dokumentiert, alle Stü­cke sind ausführlich kommentiert. Entsprechend regt der Band eine Beschäftigung mit historischen Orgeln an, lässt aber in jedem Fall eine Darstellung auf der modernen Orgel zu.
So unterschiedlich die Orgeln sind, so unterschiedlich ist die musikalische Herangehensweise der elf Komponis­ten aus zehn Ländern. Die Stücke sind technisch gut zu bewältigen und überwiegend manualiter gedacht. Bernard Foccroulle komponierte das Werk Spiegel für die kleine Orgel in Alkmar. Es handelt sich um sechs kontrastierende Versetten in Anlehnung an das Salve Regina von Arnold Schlick. Die nachfolgenden Stücke von Joris Verdin (Brüssel), Rainer Lischka (Freiberg), Caroline Charriére (Freiburg/ Schweiz) und Peter Planyavsky (Innsbruck) zeigen einen stark organistischen Hintergrund. In ihnen schwingt das Moment der Improvisation oftmals deutlich mit, so dass man sich von Fall zu Fall fragen mag, ob eine strenge Notation dieser Werke überhaupt sinnvoll ist.
Charakteris­tischer sind die 5 Etüden von Joao Pedro Oliveira (Lissabon) und die Trois Pièces pour Orgue: Prélude, Interlude et Postlude von Luc Antonini (Toulouse). Einen kompositorischen Höhepunkt bildet die Komposition Sul Tasto von Filippo Perocco (Treviso/Italien), die sich durch sensibles Spiel mit dem Tastendruck auszeichnet und dadurch eine klangliche Binnenwelt aus differenzierten Anschlagsmöglichkeiten erzeugt. Die beiden nachfolgenden Kompositionen von Mladen Tarbuk (Umag/ Kroatien) und Luis Pedro Bráviz Coarasa (Zaragoza/Spanien) enthalten verschiedene traditionelle Einflüsse.
Hervorzuheben ist, dass alle Autoren selbst Organisten sind. Dies führt durchgängig zu einer guten Spielbarkeit, lässt jedoch manchmal die kompositorische Komponente vermissen. Zuweilen entsteht der Eindruck vom berühmten „Orga­nis­tenzwirn“, von einer Musik ohne eine rechte musikalische Idee. Ein deutlicherer Einbezug freier Komponisten hätte dem Band gut getan. Mit 144 Seiten ist die Notenausgabe umfangreich und zeigt, wie unterschiedlich sich Organisten der kompositorischen Aufgabe stellen. 

Dominik Susteck