Sweelinck, Buxtehude & Co.
Northern Baroque
Sweelinck, Buxtehude & Co.
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Der Interpret Fabien Moulaert ist Belgier, Jahrgang 1985, was sogleich die spannende Frage aufwirft, ob sich Unterschiede in Spielauffassung und Informationsstand gegenüber deutscher Orgelmusikkultur hier bezogen auf Sweelinck (Toccata d-Moll; Echo Fantasia a-Moll; Est-ce Mars), Scheidemann (Lobet den Herren; Praeambulum g-Moll; Erbarm dich mein), Buxtehude (Toccata d-Moll; Ich ruf zu dir; Passacaglia; Fuga C-Dur; Komm, Heiliger Geist; Klag-Lied) feststellen lassen.
Nein, denn es gibt keine einheitliche deutsche Auffassung, höchstens Trendbildungen. Moulaert legt seinen Vortrag sozusagen flächig an, selbst strukturell differenzierte Partien werden einer durchweg einheitlichen Grundartikulation unterworfen, die zu lockerem Legato, leider auch zur Verschleifung von Phrasen tendiert. Es entsteht bei technisch mühelosem Beherrschen der Passagen und Satzdichte ein souverän-ruhiges Strömen der Musik, einheitlich im Duktus, im Toucher. Abwechslung bieten höchstens der Farbwechsel der Werke bzw. die Registrierung. So werden Signalquarten in Sweelincks Echo Fantasia zum Beispiel nicht wahrgenommen bzw. unachtsam neutralisiert. Im Ergebnis erklingt schwerelos-seraphische Musik lebhafte Deklamation, wie sie etwa Monteverdis Seconda prattica fordert, würde als allzu irdische Äußerung das Idyll stören.
Zum Booklet. Northern Baroque lautet der Titel der CD, was nicht nur ungewöhnlich, sondern auch semantisch Unsinn ist: Barock als Stilepoche hat keine nördliche Dimension. Sodann begegnen reihenweise verstaubte Ladenhüter des 20. Jahrhunderts: Sweelinck wurde zu einem wichtigen Gründungsvater der norddeutschen Orgelschule (S. 4), es entstand die Choralfantasie, als deren Urheber Scheidemann betrachtet werden kann (S. 5), Buxtehudes Kunst wurde vor allem von der blühenden Hamburger Orgelkultur geprägt (S. 5), Gegensätze zwischen kontrapunktischen und freien Episoden sind für den Stylus Phantasticus typisch und eine besonders freie Kompositionsmethode, bei welcher der Komponist Spielraum für die Freiheiten des Interpreten lässt (Johann Mattheson, 1740) (S. 6). Auf diese Weise lassen sich mehrere 5/4-Takte in Sweelincks Echo-Fantasie mit C-Takt-Vorzeichnung und die Praller-Einlagen bei Buxtehude sicherlich nicht rechtfertigen. Wie es scheint, wird es trotz breiten medialen Angebots wieder Generationen dauern, bis dass Neuerkenntnisse der letzten Jahre auf der Ebene der Organistenpraxis angekommen sind.
Zsuzsi Tóth versteht es, die Vokallinie abwechslungsreich zu gestalten, vor allem vorhandene dissonante Reibungen auskostend zu beleben und damit Heinrich Schütz angemessen wiederzugeben. Das Orgelfundament entwickelt dabei überraschende Aktivität, gelegentlich vielleicht ein Hauch zu kräftig gegenüber dem zarten Sopran.
Klaus Beckmann