Otte / Janson / Herchet / Schlothfeldt / Kagel

Musik für Orgel

Hans Otte: Touches / Erik Janson: Couleurs célestes / Jörg Herchet: komposition 1 für orgel (IV) / Matthias Schlothfeldt: Bitter Crop / Mauricio Kagel: Improvisation ajoutée

Verlag/Label: Querstand, VKJK 1520 (2016)
erschienen in: organ 2017/01 , Seite 58

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Die unkonventionelle große Peter-Orgel der Kunststation St. Peter Köln ist ein bei OrgelinterpretInnen Neuer Musik gleichermaßen vielfach ge­schätztes wie überregional bekanntes Instrument. Matthias Geuting hat auf der gerade beim Label Querstand erschienenen CD fünf Kompositionen zusammengestellt, die er dort in den Jahren 2010 und 2011 in Konzerten selbst spielte. Die Auswahl der Stücke kom­biniert zwei „Klassiker“ der Orgel-Avantgarde mit zwei Werken des 21. Jahrhunderts sowie einem aus dem Jahr 1980. Ihre Komponisten gehören mithin drei Generationen an.
Dramaturgisch ist die CD so aufgebaut, dass Kompositionen stark ausdifferenzierter experimenteller Klang- und Geräuschprozesse mit solchen abwechseln, deren Duktus ein längeres Verweilen bei den jeweils eingesetzten Klangelementen und -bewegungen bedingt. So machen orgelimmanente Neuerungen der 1960er Jahre den Anfang (Otte, Touches), hierauf folgen sphärische bis voluminöse Klangweitungen un­terschiedlicher Prägung (Janson, Couleurs célestes und Herchet, komposition 1 für orgel IV) sowie ein kritischer kompositorischer Kommentar zur orgeltypischen Liedbearbeitung (Schlothfeldt, Bitter Crop), und abschließend ein Experimentieren mit Orgelklängen durch Hinzufügung unterschiedlicher Stimm- und Geräuschäußerungen (Kagel, Improvisation ajoutée).
Die interpretatorische Gestaltung dieser durchaus divergenten Beispiele neuer Orgelmusik setzt die Bandbreite des Kölner Instruments umfangreich ein. So entstehen farbenreiche Ausdifferenzierungen der gespielten Werke, die von Experimentierfreude zeugen. Matthias Geuting kombiniert bei seinen Registrierungen teils einen traditionellen (mixturbetonten) Klangaufbau mit geräuschhaften Elementen, teils lässt er die Brüchigkeit allein stehender extremer Lagen oder Registerfarben zu.
Spannend sind seine Interpretationen zweifelsohne. Zur Realisierung von Kagels Improvisation ajoutée, die hier die Urfassung aus dem Jahr 1962 zur Grundlage nimmt, werden sogenannte „Registran­ten“ benötigt. Diese Aufgabe, die zusätzlich gestalterische Äußerungen wie Schreien bis Husten, Klatschen bis Pfeifen u. ä. einschließt, wurde von Tobias Brändle und Tobias Hagedorn übernommen. In Verbindung mit Matthias Geutings Spiel fesseln erneut Vielfalt und Fantasiereichtum, bis zum immer wieder effektiven „Ende“.
Erfreulicherweise ist die klang­liche Wiedergabe von Transparenz gekennzeichnet, so dass Raumaspek­te und Klangfarbenspektrum gleichermaßen gut wahrnehmbar sind (Tonmeister Wolfgang Zakrzewski, Nachbearbeitung Stefan Deistler).
Das CD-Booklet (dt./engl.) informiert kurz über den Interpreten sowie die Kunststation St. Peter und teilt die Dispositionen der Haupt- und Chororgel mit. Zudem führt ein sehr ansprechender, vom Interpreten selbst geschriebener Text in Eigenarten und Kontext der eingespielten Orgelkompositionen ein.

Daniela Philippi