Möllner Klanggeschichte

Thimo Neumann, Pieter van Dijk und Arvid Gast an der Scherer-Bünting-Flentrop-Orgel in der St. Nicolai-Kirche in Mölln

Verlag/Label: Querstand vkjk 2307 (2023)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2024/01 , Seite 59

Bewertung: 4 von 5 Pfeifen

Die erste CD der Scherer-Bünting-Orgel der St. Nicolaikirche in Mölln lässt ein Instrument hören, das in allen seinen Facetten fasziniert. Das Werk mit ältesten Pfeifen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts beinhaltet den derzeit größten Bestand an Pfeifen von Jacob Scherer (1558). Auf dem technischen Neubau von Flentrop stehen außerdem Pfeifen von u. a. Friedrich Stellwagen (1641) und Christoph Julius Bünting (1766) und natürlich von Flentrop. Die neue Zusammenstellung des überkommenen Pfeifenmaterials führt zu einem geschlossenen Klangbild von großer Intensität.
Dazu tragen natürlich auch die Organisten dieser Aufnahme bei, Pieter van Dijk bringt den ersten Vers des Magnificat Germanicae in den würdevollen Plenum-Klängen des Hauptwerks (Scherer) und der Zungenstimmen des Pedals (Flentrop nach Scherer) und wagt in Weckmanns „Ach, wir armen Sünder“ eine trompetenbetonte Regis­trierung, die trotzdem durchhörbar bleibt. Thimo Neumann bevorzugt dagegen bei Tunders Praeludium
in g und dem Praeludium in G von Bruhns die klassischen, gut begründeten Registrierungen für das volle Werk. Reiche Gelegenheit für Solo-Regis­trierungen geben ihm zwei Choralbearbeitungen von Buxte­hude und Tunder („In dich hab ich gehoffet, Herr“). Die zahlreichen Weitchorstimmen bekommen ihre glanzvolle Vorführung mit einer Bearbeitung des Flötenquartetts C-Dur, KV 285b von Mozart („Tema con variazioni“, KV Anh. 171) – passend zur Bünting-Ära der Orgel – für die vier Hände von van Dijk und Arvid Gast sowie in Böhms Partita „Wer nur den lieben Gott lässt walten“.
Mutig ist es, in dieses Vorführ-Programm ein modernes Stück einzubauen. Pieter van Dijk spielt (das einstimmige Stück) Oneliner von Andreas van Rossem (geb. 1957), einpassen tut es sich nicht. Ebenso wenig einpassen mag sich Bachs „Epidemische“ – wohl ein Zugeständnis an einen nicht definierten Publikumsgeschmack? Aber mit Sicherheit wird es noch weitere CD-Einspielungen dieser Orgel geben, deren Programme dann konsequenter auf die Spezialität der Orgel ausgerichtet sind. Diese verbindet norddeutsche Klänge aus dem 15. bis ins 18. Jahrhundert und die derzeitige Kunst eines großen Einfühlungsvermögens für die Neuorganisation des Instruments – und das auf einsam hinreißende Weise.
Das Booklet bringt eine gute Einführung von Markus Zimmermann in die Möllner Orgelbaugeschichte (vgl. organ 4/2023), eine sehr knappe Vorstellung der eingespielten Werke und ihre Registrierungen (leider fehlerbehaftet) sowie die Disposition und die Vorstellung der drei Organisten. Diese Orgel belohnt selbst bei dem etwas kleinen Nachhall des Raums jeden, der sie hört, auf schönste Weise! Die CD ist ein sehr schöner Vorgeschmack auf einen Besuch in Mölln! Die Festschrift ist dort erhältlich.

Rainer Goede

Die CD war Abo plus-CD zu organ 4/2023. Bei Abschluss eines neuen Abonnements von organ – Journal für die Orgel ist sie als Begrüßungsgeschenk erhältlich.