Mitteldeutsche Orgelromantik
Werke von Christian Heinrich Rinck, Felix Mendelssohn Bartholdy, Gustav Merkel und August Gottfried Ritter
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Mitteldeutschland ist auch nach der Blüte des dortigen Orgelbaus im Barock als die klangvollsten Namen wären da wohl Gottfried Silbermann, Zacharias Hildebrandt und Tobias Heinrich Gottfried Trost zu nennen bis heute eine bedeutende Region des kontinentaleuropäischen Orgelbaus geblieben.
Im 19. Jahrhundert war es neben anderen Conrad Geißler, der dort im Umkreis seines Geburtsorts Eilenburg im Laufe seines Lebens 120 Orgeln errichtet hat. Eine davon erhielt im Jahr 1895 die Nikolaikirche in Uebigau: ein Instrument mit 18 Stimmen auf zwei Manualen und Pedal. Auf dieser seither ohne größere Eingriffe erhalten gebliebenen Orgel hat Christopher Lichtenstein (neben der Orgelsonate Nr. 6 d-Moll von Mendelssohn und dem Variationszyklus op. 90 von Rinck) Werke von Gustav Merkel die Variationen für Orgel über ein Thema von Beethoven op. 45 und von August Gottfried Ritter die 3. Sonate a-Moll op. 23 eingespielt, zwei Komponisten, die im 19. Jahrhundert, und damit beeinflusst von der Klangvorstellung der Orgeln dieser Zeit, in Mitteldeutschland aufwuchsen und dort auch tätig waren.
So achtbar sein Einsatz für die Geißler-Orgel in Uebigau auch ist, der akustisch ungemein trockene Aufnahmeort und die gestalterische Herangehensweise Lichtensteins an diese Werke können so unmittelbar nicht wirklich überzeugen. Der Interpret vermag in Rincks Variationszyklus den einzelnen Teilen registermäßig nur in engen Grenzen individuelle Farbe zu geben. Auch würde man sich häufig mehr biegsame Eleganz und nicht eine solcherart hämmernde Auffassung des zugrunde liegenden Liedthemas wünschen. Die Darstellung von Mendelssohns d-Moll-Orgelsonate leidet in weiten Teilen unter einem motorischen und spannungsarmen Gleichmaß, das eine atmende Agogik und emphatische Ausdrucksfähigkeit vermissen lässt. Da fehlen ein erzählerischer Gestus und ein freierer musikalischer Fluss.
In Merkels Variationenwerk befremdet die Belanglosigkeit, mit der sich der Organist der Introduction annimmt. Die beiden musikalischen Ebenen in der 1. Variation stellt er ziemlich unverbunden nebeneinander, und in der 2. Variation bleibt das stete Stocken an den Wendepunkten deren kleinteilig alternierender Gliederung fragwürdig. Mehr überzeugen kann Lichtenstein mit den durchlaufenden Figurationen in der 3. Variation und seiner gefälligen Verrundung in der 5. Variation.
In der Wiedergabe von Ritters a-Moll-Sonate stoßen Lichtensteins gleichsam atemloses und ungegliedertes Durchmessen des 1. Satzes und vor allem die unverbunden hingeworfenen rezitativischen Partikel des 2. Satzes auf Unverständnis. Das mutet starr und schematisch an. Und im vorletzten Satz der Sonate weiß der Organist zwar dessen Textur klanglich abwechslungsreich auszuloten, doch es fehlt die nötige Geschmeidigkeit in der Zeichnung der Phrasen. Eine moderate Nachverhallung im Tonstudio hätte der Aufnahme gut getan und ihre harte Sprödigkeit vermutlich ein wenig gemildert. So ist das Hören durchweg anstrengend und in seiner penetranten Unsinnlichkeit rasch ermüdend.
Thomas Bopp