Benoit, Peter
Missa tribus vocibus virorum comitanti organo für 3 Männerstimmen und Orgel
hg. von Wolfgang Birtel
Denkt man an belgische Komponisten des 19. Jahrhunderts, wird einem wohl kaum als erstes der Name Peter Benoit (1834-1901) in den Sinn kommen, obwohl dieser in seiner Zeit als anerkannter Komponist und allseits geschätzter Dirigent galt. Es ist honorig, wenn sich Musikverlage, wie in diesem Fall Schott Frères in Brüssel, sich solcher nahezu vergessener Musiker mit Neudeditionen annehmen und ihre Musik wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.
Nach erfolgreich absolviertem Musikstudium in Brüssel erhielt Benoit 1857 für seine Kantate Le Meurtre dAbel den (belgischen) Prix de Rome, bereiste anschließend zu musikalischen Studienzwe-cken Deutschland, wurde Dirigent am Théâtre des Bouffes-Parisiens (von Jacques Offenbach 1855 gegründet) und 1867 Direktor der Flämischen Musikschule Antwerpen, dem späteren Königlichen Konservatorium. Benoit hinterließ eine beachtliche Anzahl von Bühnenwerken, Oratorien, Kantaten, Instrumentalwerken und ebenso geistliche Musik, darunter ein Te Deum und ein Requiem. Für die Bach-Rezeption in Belgien war er durch die nationale Erstaufführung von dessen Matthäuspassion von herausragender Bedeutung.
Unter Benoits kleineren sakralen Werken sticht die schon 1856 entstandene Missa tribus vocibus virorum comitanti organo hervor, die Wolfgang Birtel jetzt neu ediert hat. Stilistisch bewegt sich die Musik zwischen César Franck und Léo Delibes, weist aber durchaus Züge eines eigenen Personalstils auf, wie die chromatischen Linienführungen im Gloria oder in den in diesem Stil doch selten vorkommenden Leerklängen. Das Credo erinnert am Anfang durch sein stetiges Metrum im Bass an Schuberts G-Dur-Messe, ungewöhnlich auch hier der solistische Beginn und sehr effektvoll die Credo-Tutti-Einwürfe. Die folgenden Sätze sind dagegen wieder schlichter geformt, dabei besonders schön das solistische Benedictus mit seinen lyrischen Kantilenen.
Der Chorsatz ist durchweg homophon gehalten, gleichwohl stets wirkungsvoll. Die Solopartien dienen der klanglichen Auflockerung, sind gesangstechnisch jedoch kaum schwieriger zu bewältigen als die Chorpartitur und können daher ohne weiteres auch von geübten Choristen oder auch bei entsprechender kammermusikalisch-dynamischer Abstufung vom Chor übernommen werden (diesbezüglich fehlt wohl im Credo in Takt 96 der Tutti-Hinweis). Die Orgel repräsentiert bis auf einige eigenständige Teile (Credo oder Benedictus) das harmonische Gerüst des Vokalparts, muss aber wegen der Notation auf zwei Systemen hinsichtlich der Pedalverwendung praxisgerecht eingerichtet werden was jeder einigermaßen erfahrene Organist ohne jede Schwierigkeit bewerkstelligen wird.
Insgesamt bietet dieses gut zwanzig Minuten dauernde Opus eine doch lohnende Bereicherung des liturgischen Männerchor-Repertoires. Herausgeber Wolfgang Birtel merkt sinnig im Vorwort an, dass angesichts der aktuellen Entwicklung der Kirchenchorlandschaft mit endemischem Männerstimmenschwund eine Bearbeitung für dreistimmigen Frauenchor oder Sopran, Alt und Männerstimme gleichfalls eine editorische Option darstellt.
Christian von Blohn