Hindemith, Paul

Meditation aus dem Tanzspiel „Nobilissima Visione“

für Violine und Orgel (VLB 179), Viola und Orgel (VAB 81) und Violoncello und Orgel (CB 263)

Verlag/Label: Schott Music, ED 21679
erschienen in: organ 2014/03 , Seite 60
Im heutigen Konzertleben ist Paul Hindemith, einst ein Protagonist der „Neuen Musik“ und im Dritten Reich wegen seines Kompositionsstils angefeindet, unverdientermaßen mehr oder weniger zu einer Randerscheinung geworden. Nur so ist es vielleicht zu erklären, dass die 50. Wiederkehr seines Todestages im vergangenen Jahr (am 28. Dezember 2013) in der klassischen Musikwelt vergleichsweise wenig beachtet wurde. 
Nur einige seiner kompositorischen „Highlights“ wie die Sinfonie Mathis der Maler oder sein Schwanendreher-Konzert können ihren Platz innerhalb des orchestersinfonischen Repertoires nach wie vor noch behaupten, bisweilen auch die Orchestersuite Nobilissima Visione. Vom Tänzer und Choreograf Léonide Massine zur Zusammenarbeit bei einem Ballettprojekt angeregt, sah Hindemith bei einem diesbezüglichen Treffen in der Kirche Santa Croce in Florenz Giottos berühmte San-Francesco-Fresken, die ihn dazu inspirierten, das Leben des Franz von Assisi als Thema für seine Komposition zu wählen. Von den ursprünglich elf Nummern stellte der Komponist eine Suite aus fünf Sätzen zusammen, die 1938 in Venedig uraufgeführt wurde und wesentlich häufiger erklingt als die vollständige Ballettmusik.
Heribert Breuer hat nun bei Schott eine kammermusikalische Bearbeitung der Meditation (Einleitung) aus der Orchestersuite für Violine, Viola oder Violoncello und Orgel vorgelegt. Bereits 1938 erschien das Werk bei B. Schott’s Söhne in Mainz für die drei besagten Streichinstrumente, allerdings mit Klavierbegleitung, bearbeitet vom Komponisten selbst.
Heribert Breuer hat an den Streicherstimmen nichts geändert, sondern den Klaviersatz für die Orgel adaptiert. Der Orgelpart lässt sich bequem spielen, insgesamt ist das Arrangement gut und präzise umgesetzt, nur an zwei Stellen (T. 1 und T. 33) ignoriert er eine Achtel-Pause und schreibt in T. 16 wohl aus Stimmführungsgründen eine Note mehr als im Original enthalten. Ein befreundeter Berufsgeiger, Helmut Haag, mit dem ich die Bearbeitung für Violine und Orgel durchspielte, wies darauf hin, dass Hindemith in der Violinstimme verlange, ganze Passagen auf nur einer Saite zu spielen. Das macht die Sache oft „unhandlich“; bei vielen Stellen hätte man längst auf die nächste Seite in eine andere Lage gewechselt, aber dadurch erzielt der Komponist einen ganz eigentüm­lichen Klang und unorthodoxe Färbungen. Hindemith, selbst versierter Streicher, hat offensichtlich großen Wert auf diese klanglichen Besonderheiten gelegt. Im Viola- und Cellopart begegnen solche Anweisungen nicht. Die Bratschenstimme ist mit dem Violinpart von der Tonhöhe her identisch (mit einer erleichterten Fassung ab T. 29), in der Cello-Stimme gibt es in T. 25– 28 eine Variante, damit der Interpret auf der a-Saite in eine nicht allzu hohe Lage gerät.
Diese Transkription vermag insgesamt zu überzeugen, erhält man damit bei entsprechend engagiertem Vortrag ein tief zu Herzen gehendes, von einer Stimmung mystischer Erhebung geprägtes Kammermusikstück, das sich sowohl in Liturgie wie auch im Konzert entsprechend einsetzen lässt.
 
Christian von Blohn