Mahler, Gustav
Mahler Songs
Kindertotenlieder / Fünf Lieder nach Gedichten von Rückert / Urlicht / Der Abschied
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Gustav Mahler wird derzeit anlässlich seines 150. Geburtstags und des sich bald anschließenden 100. Todestages gefeiert. Man sollte annehmen, dass dieses Jubiläum des Sinfonikers und Liedschöpfers in der Orgelszene kaum Spuren hinterlassen würde Kirchenmusik und speziell Orgelkompositionen hat Mahler schließlich nicht hinterlassen. Aber diese Annahme erweist sich als Irrtum, wie die vorliegende CD-Neuveröffentlichung zeigt, auf der Lieder und Gesänge Gustav Mahlers (als Transkriptionen) für Altstimme mit Orgelbegleitung erklingen.
Ihren ersten Impuls bezog die CD aus einer Aufführung der Kindertotenlieder in einem Kirchenkonzert zu Allerheiligen 2007, bei der der schwedische Organist Johannes Landgren und die Altistin Maria Forsström die Klavierfassung der Mahlerschen Gesänge zur Grundlage ihrer Interpretation machten. Eine unerwartet positive Publikumsreaktion veranlasste die beiden, ihr Experiment klanglich zu verfeinern und inhaltlich zu erweitern. Andere Solo-Gesänge Mahlers, deren Texte religiöse Bezüge oder Konnotationen haben, boten sich für eine Versetzung in den Kirchenraum an: das Urlicht aus der Zweiten Sinfonie, Um Mitternacht und Ich bin der Welt abhanden gekommen aus den Fünf Liedern nach Gedichten von Rückert, schließlich der finale Abschied aus dem Lied von der Erde.
Zwischen Imitation des Mahlerschen Orchester-Originalklangs mit Mitteln der Orgel und eigenständiger Klangfindung auf seinem Instrument hat der Organist Johannes Landgren seinen Weg gesucht und gefunden. Realisiert wurden diese Transkriptionen an der viermanualigen Orgel der Göteborger Vasa-Kirche, die 1909 von Eskil Lundén errichtet und 1952 um ein Rückpositiv erweitert wurde; das Instrument vereinigt in sich Elemente schwedischer und deutscher romantischer Orgelbauweise (Lundén arbeitete zeitweilig in der Werkstatt von Wilhelm Sauer in Frankfurt/Oder).
Was die solistischen Bläserstimmen in den Mahlerschen Partituren betrifft, kommt ihnen der Klang der Lundén-Orgel oft täuschend nahe, was im Bereich der Streicher naturgemäß nicht gleichermaßen gut funktioniert. Ausschlaggebend ist jedoch, dass die durchsichtige Polyphonie von Mahlers Rückert-Vertonungen im Wesentlichen bewahrt bleibt, wenn auch in der Kirchenakustik manches weniger klar zeichnend als leicht flächig verbreitert heraustritt. Hinzu gewinnt die Orgelübertragung den Originalen ein insbesondere in die Tiefe erweitertes Klangspektrum im Subbassbereich.
So gut Gesängen sinfonischen Zuschnitts wie dem Urlicht und dem Abschied das neue Klanggewand auch steht: ihre ästhetischen Grenzen erreicht die Orgel-Transkription bei den zur zyklischen Abrundung mit aufgenommenen Rückert-Vertonungen weltlichen Gehalts und intimeren Charakters: Das Liebst du um Schönheit wirkt, akustisch in den Kirchenraum versetzt, schlicht fehl am Platz.
Gerhard Dietel