Peter Wittrich

Liturgische Bagatellen

Hommage à Hermann Schroeder

Verlag/Label: Schott Music, ED 23913
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/03 , Seite 53

Peter Wittrich, geboren 1959, ist seit 1989 hauptamtlicher Dozent und seit 2004 Professor für Musiktheorie an der Münchner Hochschule für Musik. Bekannt ist er durch originelle Orgelwerke, in denen er Brücken zwischen traditioneller Orgelkomposition und dem Jazz baut, so in den drei symphonischen Concerti für Orgel (2014–17).
Bereits im frühen Orgelunterricht lernte Wittrich Hermann Schroe­ders Kleine Präludien und Intermezzi für Orgel kennen, die ihm „eine neue Welt eröffneten“ und ihn „vollends begeisterten“. Schroeders Werk habe Wittrich „zu ersten eigenen Improvisationen und Kompositionen, insbesondere zum liturgischen Gebrauch“ angespornt. Es liege „daher auf der Hand, eines meiner Vorbilder zum 40. Todestag mit einem Zyklus kurzer Orgelstücke in Anlehnung […] zu ehren. In den Liturgischen Bagatellen weht der Geist Schroeders, ohne dabei seinen Stil kopieren oder imitieren zu wollen.“
Wittrichs Liturgische Bagatellen wurden am 31. Januar 2025 im Mün­chener Dom von Benedikt Celler uraufgeführt. Stücke für die Liturgie dürfen nicht zu lang sein („Bagatellen“). Ferner sollte ein liturgischer Bezug vorhanden sein, entweder durch einen bestimmten cantus firmus oder durch den Charakter der Musik. Letzteres erfüllen die Liturgischen Bagatellen: Unterschiedliche Satztechniken eröffnen die Möglichkeit, die sechs Sätze (einzeln oder als Zyklus) im Gottesdienst aufzuführen: Fanfare a tre con Toccata – Kanonisches Bicinium – Intermezzo – Kleine Chaconne – Interludium – Capriccio „Gehet hin in Frieden“. Die Bagatellen überzeugen durch fantasievolle Klangwelt sowie einen großen Reichtum an Themen, Formen und Kompositionstechniken. Sie sind harmonisch kühn, rhythmisch voller Energie, teilweise virtuos mit bewegtem Laufwerk und perkussiven Passagen, enthalten aber auch lyrische Episoden und ausdrucksstarke cantable Momente. Stets kommt große Freude am Gestalten, Ausprobieren und am spielerischen Umgang mit Formen und Satztechniken zum Ausdruck.
So ist die Widmung an Hermann Schroeder passend. Man fühlt sich an eine Aussage Schroeders von 1935 erinnert: „Das freie künstlerische virtuose Spiel steht außerhalb des Gottesdienstes – sicherlich dort als angenehme Zugabe –, das liturgische Spiel […] muss als erste und wichtigste Forderung an jeden Organisten gestellt werden.“ Für das liturgische Orgelspiel helfe besonders eine fantasievolle, abwechslungsreiche satztechnische und formale Gestaltung: „Motiv-Vergrößerung und -Verkleinerungen rhyth­mischer und melodischer Form, Nachahmung und Umkehrung, tonale und reale Beantwortung, Sequenzierung, Orgelpunkt und Cantus-firmus-Technik, Pedal-Ostinato und Diminution sind nicht Dinge, die man notgedrungen sich ungern für das Examen einpaukt […], nein, hier werden sie zum notwendigen Handwerkszeug, das seinerseits wie­der auf die Fantasie befruchtend einwirkt.“ (Hermann Schroeder)
Die Liturgischen Bagatellen lösen Schroeders Anregungen vorbildlich ein. Es bietet sich an, diese Stücke auch im Konzert Schroeders Kleinen Präludien und Intermezzi gegenüberzustellen – als stilistisch unterschiedliche, aber lohnende Konzepte liturgischer Orgelmusik.

Rainer Mohrs

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