Liszt – Organ Works

Verlag/Label: FUGA-9403 (2016)
erschienen in: organ 2016/03 , Seite 56

3 von 5 Pfeifen

Die Orgelwerke von Franz Liszt, zumal die drei „großen“, sind diskografisch reichlich und vielfach auch auf künstlerisch anspruchsvollem Niveau dokumentiert. Marcel Punt, organistisch ausgebildet unter anderem am Amsterdamer Konservatorium und promoviert an der Sibelius-Akademie in Helsinki im Fach Musikwissenschaft, stellt mit der Einspielung der Ad nos-Phantasie, Präludium und Fuge über BACH und den Weinen-Klagen-Sorgen-Zagen-Variationen seine interpretatorische Herangehensweise dieser gewichtigen Werke der deutschen Orgelromantik zur Diskussion.
Bei der Wahl des Instruments entschied Punt sich für die 1892 erbaute Furtwängler & Hammer-Orgel (III + P/44) der Stiftskirche in Königslutter nahe Braunschweig. Lothar III., bis 1137 deutscher Kaiser, gründete an diesem Ort ein Kloster und verfügte, in der Abteikirche begraben zu werden. Die durch und durch romantisch geprägte Orgel wurde von 2008 bis 2010 von der Werkstatt Freiburger Orgelbau (Hartwig und Tilmann Späth) restauriert und weitgehend in ihren Originalzustand versetzt. Mit dem Wandel des Zeitgeschmacks wurden in den knapp 120 Jahren ihres Bestehens auch an dieser Orgel Veränderungen vorgenommen, die aber glücklicherweise nur einen Teil des Orgel- und Pfeifenwerks betrafen. Beim Umbau der Orgel auf elektrische Spieltraktur wurde dafür gesorgt, dass die originale mechanische Spieltraktur eingelagert wurde – ein ebenso glückliches wie seltenes Vorkommnis bei einem sol­chen Umbau.
Für Musik von Franz Liszt also grundsätzlich ein passendes Instrument, das stellenweise aber doch gewisse „Defizite“ hörbar werden lässt. So leidet die Orgel unter Instabilität des Windes etwa dort, wo – wie bei Ad nos – ausgehaltene Ak­korde des Manuals hörbar ins Schlingern geraten, weil zusätzlich im Pedal gerade eine bewegte Skala dominiert. Bei vollgriffigen Passagen geht der Wind gerne einmal für kurze Momente in die Knie, der Klang „säuft ab“, stemmt sich dann wieder in die Höhe (ab T. 477). Ein bisschen mag das der klischeehaften Vorstellung einer leicht schwindsüchtigen deutsch-romantischen Orgel entspreche, kaum aber wohl den Vorstellungen Liszts.
An Farben bietet das Werk hinreichende Reserven – und Marcel Punt nutzt diese auch intensiv aus: wunderbare Flöten, weiche, dabei gut zeichnende Prinzipale, himmlisch sanfte Streicher (darunter Aeo­line 16’ im SW, bei Ad nos ideal eingesetzt im Adagio-Teil ab T. 435), auch eine bezaubernde durchschlagende Clarinette 8’. Punt spielt durchwegs mit glanzvoller pianistischer Technik, in Bezug auf seine Registrierungen würde man sich bei der Ad-nos-Phantasie stellenweise elegantere Übergänge wün­schen. Auch die Fuge wirkt hier eigentümlich behäbig bis zum Einsatz der Fortissimo-Akkorde.
Weitaus überzeugender Marcel Punts „klassische“ Interpretationen von B-A-C-H und Weinen, Klagen … Diese wirken wie aus einem Guss und wirklich überzeugend orchestriert. Schwachpunkt der Edition: nur ein dürres Faltblatt anstelle eines gut informierenden Booklets.

Christoph Schulte im Walde