Mendelssohn Bartholdy, Felix
Lieder ohne Worte (Auszüge)
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Es kommt eher selten vor, dass bei einer Orgel-CD-Publikation die ebenso detail- wie kenntnisreichen und nützlichen Booklet-Informationen über Repertoireauswahl, historisches Umfeld, Entstehungsgeschichte, nebst eingespielter Orgel und einspielendem Künstler, für sich betrachtet den Erwerb fast schon lohnen. Nach einem kurzen Abriss über die Vita von Felix Mendelssohn Bartholdy geht Rainer Goede, langjähriger Ansbacher Stadt- und Stiftskantor sowie Orgelsachverständiger, auf den musikologischen Stellenwert der insgesamt acht Hefte der Lieder ohne Worte und speziell auf jedes einzelne der zwölf hier eingespielten Stücke detailreich ein. Flankiert werden die Ausführungen von Zitaten aus Mendelssohns Briefen und Publikationen seiner Zeitgenossen zu dieser Kompositionsgattung. Goede beschreibt weiterhin die intensive Beschäftigung Mendelssohns mit der Orgel, der Transkriptionsthematik allgemein und seine eigenen Orgeladaptionen der Originalstücke für Piano solo aus op. 67 und op. 85. Fachkundig-informativ lesen sich ebenso die Erläuterungen zur Orgelfassung der Variations sérieuses, von denen man nach dem Anhören der CD sagen kann, dass man sie ebenfalls nicht den Pianisten allein überlassen sollte.
Für den Orgelfreund bzw. Orgelhistoriker wird die ausführliche Beschreibung der Historie der Wiegleb-Orgel von Wert sein, hat dieses Instrument doch nach der Fertigstellung im Jahre 1739 einen leidvollen Lebenslauf aufzuweisen, bis sie im Jahre 2007 durch die Rekonstruktion der Firma Reil in Heerde (Niederlande) wiederbelebt wurde (organ berichtete wiederholt). Auch die Disposition wird aufschlussreich diskutiert. Die Registrierungen zu den eingespielten Stücken runden das mit einem Farbfoto der Wiegleb-Orgel bebilderte Heftchen informativ ab.
An dem wunderbar warmen, frühromantisch-geheimnisvollen Timbre der sechs fantasievoll eingesetzten, charakteristisch streichenden Stimmen wird man sich kaum satthören können. Sie geben, wie es uns heute erscheint, einen authentischen Mendelssohn-Klang wieder. Vor dem vergleichsweise monotonen Wohlklang der Lieder ohne Worte, welche den farbenfrohen Klangreichtum des großen Instruments freilich nur in bescheidenen Ansätzen auszukosten vermögen, nehmen sich die dynamisch kontrastreicher gestalteten, kompositorisch meisterlich durchgearbeiteten Variationen umso dankbarer aus. Ihr Ausdruck steigert sich von klassizistischer Ruhe bis hin zur dramatischen Finalsteigerung mit den von Mendelssohn so beabsichtigten wiederum beruhigten und beruhigenden Schlusstakten.
Das hier eingespielte CD-Repertoire stellt gewiss keine übermäßigen technischen Anforderungen an den Spieler und gibt wenig Anlass zu virtuosem Tastengeklingel. Goede bewältigt diese Musik gestalterisch solide und verlässlich. Genau das Passende für eine melancholisch-lauschige Mußestunde vorab schon der einzigartigen Orgel wegen.
Christian Ekowski