Les Grandes Orgues de la Cathédrale de Monaco

Werke von de Grigny, J. S. Bach, Guilmant, Ibert, Duruflé, Litaize, Denis Bédard, Jehan Alain und Johann Nicolaus Hanff

Verlag/Label: 2 CDs, Ligia Digital 104245 (2012)
erschienen in: organ 2013/02 , Seite 55

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Mit dem Namen Monaco assoziiert man Extravagantes bzw. Mondänes. Nun, zu einer wirklich extravaganten Orgellösung hat es in der neuromanischen Kathedrale Notre-Dame-Immaculé offenbar nicht gereicht. So wurde das in die Jahre gekommene Boisseau-Instrument (60/IV/ P) von der belgischen Orgelmanufaktur André Thomas optisch aufgestylt (inkl. der farblich changierenden Gehäuse-Illumination) und klanglich gemäß „postmodernem“ Gusto neo-symphonisch aufgemotzt (mit nun 74 Registern inkl. etlicher Auszüge und Transmissionen). Zu erwähnen sind in diesem Kontext eine Vielzahl von Koppeln, darunter eine doppelte Superkoppel: IV/P-2’.
Auf der vorliegenden Doppel-CD (inkl. zwei Bonus­tracks als Videospur) stellt Olivier Vernet, musikalischer Genius loci der Kathedralkirche, sein „neues“ Instrument mit einem bunt schillernden Programm vor. Beginnend mit dem Pfingshymnus Veni creator Nicolas de Grignys und sämtlichen (überlieferten) Orgelwerken Johann Nicolaus Hanffs bis zu Vernet dezidierten Piècen des Kanadiers Denis Bédard (Jg. 1950) rekurriert die Edition auf dem Konzept einer stilistisch breit aufgefächerten postmodernen Universalorgel.
Inwieweit mit Blick auf die „klassische“ Sektion des Instruments die chronologischen Tracks glaubwürdig authentische Barockklänge und Farben bei De Grigny bzw. Hanff wiederzugeben vermögen, mag jeder Hörer für sich entscheiden. Allzu charakteristisch erscheint das intendierte „norddeutsche Kolorit“ bei den sieben Choralbearbeitungen Hanffs nicht. Weshalb der Interpret Bachs kompositorisch nicht übermäßig ergiebige, zudem diskografisch überrepräsentierte d-Moll-Toccata (BWV 565) ins Programm genommen hat, erschließt sich zumal angesichts des schwächelnden interpretatorischen Zugriffs nicht. Auf der ersten CD wird der ästhetische Bogen bis zu zwei Mouvements aus Alexandre Guilmants fünfter c-Moll-Sonate und der Élégie héroïque des Spätimpressionisten Déodat de Severac gespannt – ohne dass sich bei genauerem Hinhören wirklich poesievoll-orchestrale Mélanges einstellen wollen.
CD Nr. 2 bietet (überwiegend frankophones) Orgelrepertoire des 20. und 21. Jahrhunderts. Das funktioniert wesentlich besser als die „his­torisierende Abteilung“. Der im Umkreis der „Groupe des Six“ produktive Jacques Ibert hat eher am Rande auch vier Charakterpiècen (Pièce solennelle, Musette, Fugue, Choral Justorum animae) hinterlassen, die hier ebenso zu hören sind wie der Jardin suspendu und die kurzweiligen Jannequin-Variationen des Groß­meis­ters des französischen Néoclas­sique Jehan Alain, nebst Prélude et Fugue sur le nom d’Alain des Alain-Freundes Maurice Duruflé und Reges Tharsis (Méditation sur l’offertoire de l’Épiphanie) von Gaston Litaize.
Die als Auftragswerk anlässlich der Inauguralfeierlichkeiten entstandenen Huit Méditations von Bédard greifen ihrerseits die gregorianischen Invokationen der Orgelweihliturgie motivisch auf. Das stilistisch bunte Kaleidoskop schließt mit drei Sätzen aus Bédards Orgelmesse (2011). Das Booklet in englisch und französisch informiert solide über die (Um-) Baugeschichte der neu designten Orgel.

Wolfram Adolph