Le Sommeil de lAnge Musique basque pour txistu et orgue
Werke von Luis Urteaga, Tomás Garbizu Salaberria, Juan Urteaga, Gorka Cuesta, Eduardo Gorosarri und Sabin Salaberri
Bewertung: 5 Pfeifen
Die txistu ist eine volkstümliche Holzflöte, 43 Zentimeter lang, die (nur) mit der linken Hand gespielt wird, während sich der Flötist auf einer kleinen Trommel (tamboril) begleitet, traditionell in einem kleinen txistu-Ensemble. In unserem Fall wird dieses urbaskische Spiel mit der (Kirchen-) Orgel kombiniert. Andere Werke auf der CD sind Solokompositionen für Orgel; sie klingen irgendwie nach César Franck und Guilmant
Der kommerziellen Bearbeitungswut fallen immer wieder schöne und nicht so schöne Melodien zum Opfer, mal für Trompete oder Saxofon oder für rührseliges Cello und Orgel. Im Gegensatz zu manch solchen akustischen Schmonzetten handelt es sich bei der vorliegenden CD um baskische Originalkompositionen, die das traditionelle Flöten- und Trommel- sowie das Orgelspiel filigran und herzerfrischend zur Geltung bringen. Sergio Torices Roldán (txistu) und Jesús Martín Moro sind ein blendend spielendes Team, das den Engel sanft aus seinem Schlaf weckt (Le Sommeil de lAnge).
Ein weiteres Kompliment muss Françoise Clastrier für das dreisprachige Booklet (französisch, baskisch, englisch) ausgesprochen werden. Jeder Satz offenbart das umfassende Wissen der Autorin, die einen angenehm unakademischen Text verfasste. So ist die Kurzbiografie von Eduardo Gorosarri Maiztegui (1889-1947) ein denkenswertes Musik-, Kultur und Zeitzeugnis: Nach seinem Musikstudium in Pamplona wurde Maiztegui 1917 zum Priester geweiht. Danach war er Organist der Cavaillé Coll-Orgeln in Ondarroa und Begoña (Bilbao). Als namhafter txistulai wurde er 1927 zum Präsidenten der Association des Tixstularis du Pays Basques gewählt. 1937 floh er vor der Franco-Diktatur nach England; mit an Bord waren 4000 baskische Kinder, denen er die Überfahrt mit seinem txistu-Spiel verkürzte. Als national gesinnter baskischer Priester findet sich sein Name in den geheimen Archiven des Vatikans. In seinem späteren belgischen Exil studierte er bei Floor Peeters. 1940 kehrte er in seine baskische Heimat zurück.
Mit dieser CD ist eine bemerkenswerte Mixtur verschiedener Aspekte gelungen: a) unbekannte baskische Orgel- und txistu-Musik (teilweise Ersteinspielungen); b) ein traditionelles baskisches Musikinstrument; c) unbekannte, hervorragende Komponisten und Interpreten sowie
d) ein Eindruck der klangschönen neuen Daldosso-Orgel (2009) an der spanischen Küste des Baskenlandes.
Diese baskische Musik integriert vieles aus ihren Peripherien: Französische sinfonische Orgeltradition und spanisches Temperament, aber auch Melancholie mischen sich harmonisch mit und in baskischer Kultur.
Johannes Ring