Olivier Messiaen

La Nativité du Seigneur (1935)

Aufnahme aus dem Dom zu Minden; Organistinnen und Organisten aus dem Erzbistum Paderborn

Verlag/Label: Erzbistum Paderborn (2023)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2023/04 , Seite 62

Bewertung: 4 von 5 Pfeifen

Ein schönes, ein rundum erfreuliches und interessantes Projekt: Acht verschiedene Organistinnen und Organisten widmen sich Olivier Messiaens Weihnachtszyklus La Nativité du Seigneur und lassen da­raus eine CD-Produktion entstehen. Anlass: Messiaens 30. Todestag im Jahr 2022. Ideengeber: Dominik Susteck, bis 2021 Organist, musikalische Triebfeder der Kunst-Station St. Peter in Köln und allseits bekannter Spezialist für neue und neueste (Orgel-)Musik, seit gut zwei Jahren Leiter des Fachbereichs für Kirchenmusik im Erzbistum Paderborn. In dieser Diözese mit ihrer langen und reichen kirchenmusikalischen Tradition arbeiten sämtliche bei diesem Projekt mitwirkenden Organistinnen und Organisten an herausgehobenen Positionen. Ein durchaus schlüssiges Konzept, die neunteilige Nativité sozusagen „aufzuteilen“. Schon Messiaen hatte da­rauf verzichtet, die Uraufführung im Februar 1936 in „seiner“ Kirche, der Pariser Trinité, höchstpersönlich zu bestreiten. Stattdessen spielten Jean Langlais, Jean-Yves Daniel-Lesur und Jean-Jacques Grunenwald jeweils drei Sätze.
Dies gleich vorweg: Trotz der Zahl von acht Interpreten wirkt die Einspielung des Zyklus in sich sehr geschlossen. Ein großer Bogen spannt sich vom einleitenden Satz „La Vierge et l’Enfant“ (Helga Lange mit großer Ruhe und fein dosiertem Rubato) über die in „Les Anges“ jubelnden Boten aus dem Himmel (Johannes Trümpler mit virtuosem Zugriff und subtilem Vermögen, gelöste Atmosphäre zu schaffen) bis hin zum selbstbewusst auftrumpfenden „Dieu parmi nous“, das sicherlich als Messiaens Credo gedeutet werden kann und die Sätze gewissermaßen zusammenfasst: „Gott unter uns“. Marcel Eliasch liefert kraftvolle zehn Minuten mit dem bekannten, hier mühelos gestürmten Gipfel: der Toccata!
Dazwischen verbreiten sich ausgiebige Momente tiefer Meditation, als die Messiaen selbst seine Musik ja empfand: in „Desseins éternels“ („Ewige Ratschlüsse“) lässt Markus Breker die Hirten („Les Bergers“) introvertiert aufspielen, ganz im Gegensatz zur unendlichen Melodie in „Le Verbe“, mit der Johannes Trümpler die Ewigkeit des gött­lichen Wortes beschwört. Wie vom Heiligen Geist geleitet versammelt Martin Geiselhart die Weisen („Les Mages“) um die Krippe, Victor-Antonio Agura gestattet – in Gestalt des rasend bewegten Mittelteils des gesamten Zyklus – den „Kindern“ Gottes („Les Enfants de Dieu“) einen ekstatischen Ausbruch. Ebenso grandios wie das strahlende Cis-Dur in „Jésus accepte la souffrance“, das Peter Wagner beisteuert, nachdem er zuvor den Blick auf Leiden und Sterben gerichtet hatte.
Als ideale Partnerin für diese Einspielung erweist sich die 1996 erbaute Kuhn-Orgel im Dom zu Minden (III+P/62), die keine Wünsche offenlässt. Es mangelt ihr weder an zahlreichen farbigen Aliquot-Registern und Mixturen, noch an orchestralen Grund- und Zungenstimmen bis hin zu den beiden 32’-Registern im Pedal. Die Aufnahmetechnik erlaubt ein gutes Durchhören der teils filigranen musikalischen Strukturen, fängt aber auch sehr gut den kathedralhaften Raumklang ein.

Christoph Schulte im Walde