Kunst-Station

Werke von Zsigmond Szathmáry, Peter Bares, Mauricio Kagel, István Lang, Mesias Maiguashca und John Cage

Verlag/Label: edition zeitklang ez-50052 (2012)
erschienen in: organ 2013/02 , Seite 56

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Unauffällig war der Beginn: 1967 errichtete die ortsansässige Werkstatt Willi Peter für die Kölner Kirche St. Peter eine Haupt- sowie eine ebenfalls zweimanualige Chororgel, die von einem gemeinsamen Spieltisch aus zu bedienen waren und in ihrer Disposition deutlich den Geist der norddeutschen Orgelbewegung atmeten. Doch der Organist Peter Bares, der ab 1992 an St. Peter amtierte, ließ das Instrument sukzessive erweitern und 2004 zu einer „Orgel für Neue Musik“ ausbauen, die ein breites Spektrum an ungewohnten Farben und  technischen Möglichkeiten bot, wobei insbesondere Schlagzeug- und Effektregister die Klangpalette erweiterten und regelbare Tremulanten und Winddrosseln die Tonerzeugung steuern konnten.
Haupt- und Chororgel werden in der vorliegenden Einspielung aufnahmetechnisch gezielt als eigenständige Instanzen vorgeführt: Während die Chororgel präsenter und leicht nach rechts versetzt zu hören ist, scheint die Hauptorgel leicht diffuser aus der Tiefe des Raums zu ertönen. Es ist der aus Ungarn stammende, später in Deutschland wirkende Organist und langjährige Freiburger Orgelprofessor Zsigmond Szathmáry, der – als ausgewiesener Fachmann für Neue Orgelmusik – auf der vorliegenden CD die Möglichkeiten des Instruments mit Werken auslotet, die vorwiegend der jüngsten Vergangenheit entstammen.
Szathmárys eigenes Stück Leichte Brise – großer Orkan weist schon im Titel darauf hin, dass hier das Spiel mit der Windversorgung zum zentralen Gestaltungsmittel wird: Ein aus der Ruhe heraus aggressiv sich steigernder Prozess wird auf seinem Höhepunkt durch Drosselung der Windzufuhr gestoppt. Aus dem umfangreichen Schaffen von Peter Bares erklingt danach die Fantasie Wort Gottes – lebendig, kräftig, schärfer: in ihren locker gruppierten Einzelteilen von Szathmáry klanglich jeweils individuell realisiert und dennoch zu einer rhetorisch eindringlichen Gesamtwirkung verdichtet. Gleichermaßen beredt wirken die Ges­tures von István Láng, bei denen erzählenden Abschnitten gezielt mechanische Xylophon-Episoden gegenübergestellt werden. Gedanklich (sowie in einem kurzen Zitat) an Debussys Cathédrale engloutie knüpft Mesias Maiguashcas Der Dom und das Meer an, das aus Orgel-Clustern und Aufnahmen vom Zuspielband eine Klangkathedrale erbaut, die im unermesslichen Meer der ewigen Zeit untergeht. 
 Mit zwei Kompositionen von 1967 wendet Szathmáry sich zurück in die Pionierzeit der „Neuen Musik“ für Orgel. Witzig wirkt auch heute noch Mauricio Kagels Phantasie für Orgel mit Obbligati, die mit Bandzuspielungen den Alltag eines Organisten schildert, der sich durch Wind und Wetter zur Kirche kämpft, dort jedoch seinem Instrument nur matte Klänge entlocken kann. John Cages grafisch notiertes Carillon Nr. 5 schließlich realisiert Szathmáry freizügig als Glo­ckenstudie im Wechsel von überdimensional wuchtigen und leicht verspielten Passagen.

Gerhard Dietel