Michael Gerhard Kaufmann / Uta Hengelhaupt (Hg.)

Kulturerbe Orgel

Ein musikgeschicht­liches Phänomen zwischen Aufklärung und Gegenwart

Verlag/Label: Ergon, Baden-Baden 2025, 443 Seiten, 69 Euro
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/03 , Seite 52

Dieses Buch ist überaus empfehlenswert für alle Orgelbegeisterten, aber gleichermaßen für Menschen, die Verantwortung tragen für den Orgelbestand im deutschsprachigen Raum – und außerdem ein schönes Geschenk. Wer allerdings ein Kompendium dessen erwartet, was der volltönende Titel impliziert, wird enttäuscht werden: Der Band ist in erster Linie ein Lesebuch – und in zweiter Linie eine Dokumentation des u. a. von der VolkswagenStiftung geförderten Forschungsprojekts „Die Orgel als Erklärungsmodell für Kulturphänomene von der Aufklärung bis in die Gegenwart“.
Herausgeber Michael Gerhard Kaufmann – maßgeblich an der Ini­tiative beteiligt, Orgelbau und Orgelmusik auf die internationale Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit bei der UNESCO zu setzen – und Herausgeberin Uta Hengelhaupt, umtriebige Kunsthis­torikerin, breiten ein Florilegium rund um den Orgelbau aus. Dass dabei vor allem derjenige des Südwestens, namentlich die Orgellandschaften Baden und Württemberg, die Hauptrollen spielen, ist angesichts ihrer regionalen Verortung den Herausgeber:innen nicht zum Vorwurf zu machen. Die Streifzüge, die die fünf großen Kapitel des Buchs abbilden, reichen von der Verflechtung musikhistorischer, kultureller und politischer Perspektiven über die Rolle der Orgel in der Ausbildung speziell im 19. Jahrhundert, die Orgel in der Synagoge oder im „Dritten Reich“ bis hin zu einer Figur wie dem US-amerikanischen Organisten Cameron Carpenter.
Das Buch hätte allerdings ein sorgfältigeres Lektorat verdient gehabt: Beispielsweise heißt der US-amerikanische Dirigent und Komponist Bernstein mit Vornamen weder Lionel (S. 212) noch Leonhard (S. 431), sondern eben Leonard. Schwerer allerdings wiegt, dass (bis auf drei überaus lesenswerte Beiträge von Cornelia Kaufmann zur Orgel in der Literatur, von Martin Kares zu Problemen des Umgangs mit dem Orgelbau des 20. Jahrhunderts mit dem schönen Titel „Kunst oder Krempel“ und von Andreas Arand zu den Papierrollen für die Welte-Philharmonie-Orgeln) nicht gekennzeichnet ist, wer denn die zum Teil sehr umfangreichen Kapitel des Bands verfasst hat – wobei die Handschrift Michael Gerhard Kaufmanns nicht nur aufgrund der sehr individuellen, immer lesenswerten inhaltlichen Schwerpunktsetzungen eigentlich gut zu erkennen ist.
Ergänzt ist der Band mit einem überaus hochwertigen Bildteil sowie mit einer über einen QR-Code erreichbaren Hörbibliothek (auch zum Download): Kaufmann stellt an ausgewählten Instrumenten ein breites Repertoire an Kompositionen der hier untersuchten Zeitabschnitte vor, das die Ausführungen des Bands dokumentiert. Entsprechende Verweise mittels QR-Code im Text hätten umständliches Hin- und Herblättern erspart; die hohe Qualität der von Klaus Faika verantworteten Aufnahmen steht allerdings außer Frage.

Birger Petersen

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