Händel, Georg Friedrich
Konzerte für Orgel solo Op. 4, 16
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Die Orgelkonzerte Georg Friedrich Händels gehören zu Recht zu den beliebtesten Schöpfungen des großen Barockkomponisten. Ihre Entstehung verdanken sie im Grunde einer umfassenden, aus wirtschaftlicher Schieflage heraus vorgenommenen Korrektur von Händels Londoner Opernunternehmungen, die sich zunehmendem Konkurrenzdruck durch Nicola Porporas Opera of the Nobility ausgesetzt sahen. Ab 1733 bot Händel in seinem Opernhaus nun englischsprachige Oratorienaufführungen an, die auch unterhaltsame Zwischenaktsmusiken in Form von Concerti grossi und hochvirtuosen Orgel-Orchesterkonzerten einschlossen. Diese neuartige Form des Solokonzerts scheint beim Publikum rasch an Beliebtheit gewonnen zu haben, denn Händel ließ sich 1738 und 1739 zwei verhältnismäßig reich disponierte, durchsetzungsfähige Orgeln bauen. Das insgesamt sechs Konzerte umfassende Opus 4 wurde im Jahre 1738 im Druck veröffentlicht. Wie so häufig hat Händel auch hier bei schon bestehenden eigenen Werken, aber auch wie im Barockzeitalter keine unübliche Praxis bei denen fremder Meister Anleihen genommen.
Bis heute haben diese Konzerte in ihrer Pracht und klanglichen Delikatesse ihre unmittelbare Wirkung behalten können. Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Bearbeitungen und Transkriptionen für die solistische Orgel entstanden die inzwischen weitgehend autarken Spielmöglichkeiten der großen Instrumente dieser und späteren Zeit erlaubten es nun dem geschickten Spieler, dem zugleich oftmals pathetischen und grundsätzlich großartig anmutenden Charakter von Händels Musik adäquat Rechnung zu tragen.
Nun hat sich Irénée Peyrot, seit 2005 Organist an der Marktkirche in Händels Geburtsstadt Halle (Saale), dieser Werke angenommen und sie in einer eigenen, weitestgehend am erhaltenen Urtext orientierten Version eingespielt. Die Marktkirche ist mit dem Namen Händels insofern besonders verbunden, weil sie seine Taufkirche ist und sein Lehrer Friedrich Wilhelm Zachow hier lange Jahre gewirkt hat. Neben der wundervollen Reichel-Orgel von 1663 besitzt die Kirche eine moderne Schuke-Orgel von 1984 (III/56/P), die hinter dem prachtvollen Barockprospekt der Cuntzius-Orgel von 1716 errichtet und 2007 von Orgelbau Sauer behutsam reorganisiert worden war.
Irénée Peyrot musiziert farbenreich, stilistisch wohlinformiert und mit der bisweilen geforderten großen Geste. Die zahlreichen Plena der Orgel werden ausführlich vorgeführt, ebenso deren vielfältige solistische Möglichkeiten. Trotz der relativ direkt anmutenden Aufnahme stellt sich aufgrund der gleichstufigen Stimmung nicht immer eine perfekte klangliche Prägnanz ein, was vor allem bei den gemischten Stimmen (z. B. Sesquialtera) zu Buche schlägt. Bei einigen wenigen schnellen Sätzen hätte ich mir persönlich auch noch etwas mehr Brio und improvisatorische Brillanz im Gestischen gewünscht. Insgesamt ist diese Aufnahme aber eine wohlfeile Gelegenheit, Händels beliebte Konzerte hier als reine Orgelmusik nochmals näher kennen zu lernen!
Christian Brembeck