Klingender Domschatz – 50 Jahre Schwalbennestorgel im Trierer Dom
Josef Still an der Klais-Orgel im Dom St. Peter, Trier; Ulrich Krupp an der Chororgel; Antonia Lutz, Sopran; Vokalensemble Trierer Dom, Ltg. Thomas Kiefer
Bewertung: 5 von 5 Pfeifen
Mit dieser CD – die ein äußerst informatives Booklet inkludiert, das bereits den Umfang einer Orgelfestschrift besitzt – wird das 50. Jubiläum der Hauptorgel des Trierer Doms (Klais, IV/67) publizistisch gefeiert. Die Trierer Domorgel gehört zweifellos zu den maßgeblichen Orgelmonumenten der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts – und das aus zweierlei Gründen: Erstens bildet der Orgelprospekt mit seinen expressiv ornamentierten Pfeifentürmen (klanglich optimal als Schwalbennestorgel an der nördlichen Hochschiffwand des Mittelschiffs der Kirche positioniert) einen innovativen optischen Kontrapunkt zum klassischen Orgelprospekt der Nachkriegszeit. Man verstand die Orgel auch als integratives Kunstelement der Kirchenarchitektur, und die 50-jährige Geschichte der Orgel bestätigt den Erfolg des ästhetischen Wagnisses. Zweitens implementiert die Disposition die – vor allem an einer Bischofskirche sinnvolle – Idee einer „Universalorgel“, die eine möglichst große Schnittmenge zwischen der gängigen Orgelliteratur der letzten 300 Jahre bietet. Anders als die konsequent neobarocken Dispositionen der 1950er und 1960er Jahre hat man hier vor allem mit Feinsinn versucht, zur französischen Orgelkunst der Romantik aufzuschließen. Natürlich: Lochgedackt und Hohlflöte der Klais-Orgel können keine Flûte harmonique à la Cavaillé-Coll ersetzen, aber sie sind – zusammen mit vielen anderen Registern der Orgel – ein sinnvoller Versuch der orgelkulturellen Freundschaft mit dem Nachbarland zu einer Zeit, als andere Orgelbauer lieber den neo-norddeutschen Weg gehen wollten. Das klangliche Ergebnis kann sich nachweislich hören lassen.
Über die CD lässt sich auch im Weiteren nur Gutes sagen: Das informative und historiografisch erhellende Booklet wurde sorgsam lektoriert und außerdem von der Hochschule Trier (Klasse Prof. Dirk Wachowiak) in angenehmster Weise illustriert, so dass im Verbund mit der exzellenten Aufnahmetechnik von Christoph Martin Frommen (Aeolus) eine mustergültige CD entstanden ist, die ihresgleichen sucht. Das dargebotene Repertoire (Bach, Boslet, Sinding, Duruflé, Schroeder, Hakim) besteht im Wesentlichen aus solistischer Orgelmusik, von Josef Still technisch souverän und stilsicher interpretiert. Man darf in dieser Aufnahme einem bestens disponierten Titularorganisten zuhören, der diese Orgel klanglich optimal präsentieren kann. Zum solistischen Repertoire gesellt sich eine – im Sinne der zeitgenössischen Musik eher anachronistische – Auftragskomposition von Naji Hakim (Von Gott gemacht), bei welcher auch das Vokalensemble Trierer Dom (Leitung: Thomas Kiefer) und die stimmlich außergewöhnliche Sopranistin Antonia Lutz zu hören sind.
Diese Produktion präsentiert in vorbildhafter Weise einen Meilenstein der Orgelbaukunst mit wichtigen Informationen und Klangimpressionen; dazu stellt sie sich mutig mit einem klassisch-retrospektiven Schwerpunkt wertestabil gegen eher redundante stilistische Tendenzen der aktuellen Kirchenmusik. Einmal mehr überreicht Aeolus der Kirchenmusik-Kommunität eine CD mit Referenzqualitäten.
Jörg Abbing