Klagenfurter Orgeltabulatur

Werke von Ludwig Senfl, Claude de Sermisy, Josquin Desprez, Pierre de la Rue, Anonymus, Philippe Verdelot und Jean Mouton

Verlag/Label: Dabringhaus und Grimm, MDG 6061701-2 (2011)
erschienen in: organ 2012/02 , Seite 50

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Die „Klagenfurter Tabulatur“ enthält neben einem sechsstimmigen Praeambulum des Münchner Hofkomponisten und Luther-Freundes Ludwig Senfl sowie einer anonym überlieferten „Exercitatio bona“ ausschließlich Intavolierungen von Motetten und Messteilen. Der begleitende Labeltext würdigt die um 1560 geschriebene Tabulatur als älteste auf österreichischem Terrain entstandene Handschrift für Tas­teninstrumente und als eine der ältesten erhaltenen Quellen in neuer deutscher Tabulaturschrift.
Manfred Novak hat sich mit dem musikhistorisch bedeutenden Dokument zunächst philologisch eingehend befasst, und von da aus erscheint es nur konsequent, dass er nach der editorischen Betreuung der sich auf drei Bände verteilenden kritischen Notenausgabe nun auch eine klangliche Dokumentation auf CD vorgelegt hat. Als nachgerade kongeniales Medium dient ihm zu diesem Zweck die 1561 vollendete Ebert-Orgel der Hofkirche zu Inns­bruck als ein herausragendes Werk österreichischer Orgelrenaissance. Dies passt optimal zu der vermuteten Entstehungszeit des Tabulaturbuchs und vermag in diesem Fall einen höchstmöglich authentischen „Originalklang“ zu garantieren.
Erfreulich an der Produktion ist die gute Klangqualität und Ausstattung. Das dreisprachige Booklet lässt bis hin zu den detaillierten Angaben zu den verwendeten Registrierungen kaum Wünsche offen. Instrument und Interpret hinterlassen beide einen vorzüglichen Eindruck. Novaks Fleiß und spielerisches Engagement verdienen höchste Anerkennung, ebenso die hohe Präzision seines Spiels. Doch lassen langatmig erscheinende Passagen der zum Teil umfangreichen Intavolierungen beim Hörer gewisse Zweifel aufkommen, ob es immer sinnvoll ist, tatsächlich auch alles aufzunehmen, was sich hier anbietet: der rein musikalische Reiz der eingespielten Preziosen hält sich von Fall zu Fall doch eher in „akademischen“ Grenzen. Die rein instrumentale Bearbeitungen vokaler Vorlagen büßen bei der Wiedergabe auf (alten) Tasteninstrumenten naturgemäß an Intensität und Wirkung ein. Dies liegt einerseits am „fehlenden“ Text, andererseits an dem im Vergleich zur Expressivität der menschlichen Stimme zwangsläufig als „starr“ empfundenen Orgelklang. Zudem werden kunstvolle Stimmkreuzungen in der Übertragung klanglich kaum mehr hörbar gemacht. Den Urhebern solcher da­mals gleichwohl sehr beliebter Tabulaturen war dies wohl bewusst. Schließlich versuchte man, mit üppiger Kolorierung einen gewissen Ausgleich zu schaffen.
Auf der zweiten CD dient der verbleibende Platz für eine Regis­terdemonstration. Dabei hätte man auf die rein tontechnisch wenig befriedigenden, eher stockend vorgetragenen „Ansagen“ des Organisten lieber verzichtet; die Registrierungen sind ohnehin im Booklet dokumentiert.
Wer sich für dieses spezielle Repertoire bzw. diesen Stilbereich interessiert, findet hier eine solide Aufnahme. Für den durchschnittlich interessierten bzw. motivierten Orgelmusikhörer dürfte es am Markt fesselndere Produktionen geben …

Axel Wilberg