Bruckner, Anton

IX. Symphonie d-Moll

transkribiert für Orgel von Eberhard Klotz

Verlag/Label: Edition Merseburger 1853
erschienen in: organ 2014/03 , Seite 58
Keinem Geringeren als „Dem lieben Gott“ hat Anton Bruckner seine Neunte zugeeignet, seine letzte und mit drei Sätzen unvollendet gebliebene Symphonie. Das lediglich skizzenhaft vorliegende Finale blieb ein Torso. Der vorliegende Band 1 von Eberhard Klotz’ Orgelbearbeitung beinhaltet den ersten Satz mit der für Bruckner ungewöhnlichen Doppelbezeichnung „Feierlich, misterioso“; Band 2 die Sätze II und III, das „Scherzo“ und das elegische „Adagio“, dessen Tubensatz der Komponist als klingenden „Abschied vom Leben“ aufgefasst wissen wollte.
Den Kopfsatz eröffnet ein geheimnisvolles Pianissimo-Streichertremolo, das 18 Takte lang als Orgelpunkt auf dem Grundton d gestaltet und in der Orgelfassung zu einer lang ausgehaltenen Oktave im Pedal zusammengefasst wird. Die linke Hand spielt die sich darüber erhebende prägnante Intonation, die im Original von allen acht Hörnern geblasen wird, während von der rechten Hand zunächst der Liegeton der Holzbläser, daran anschließend das ruhige Signal der Trompeten und Pauken übernommen wird. 
Konsequent verzichtet der Herausgeber auf die Angabe von eigenen Registrierungsvorschlägen bzw. Angaben zur Manualverteilung; allerdings werden wichtige Instrumente bzw. Instrumentengruppen bezeichnet. Die Pedalstimme fungiert häufig ohne 16’-Basis. So werden hochliegende Oboen-Einwürfe mit einem 2’-Register allein dargestellt. Am Anfang der „Gesangsgruppe“ übernimmt das Pedal mit einem 8’-Register teilweise die Violen- und Cellostimme der Streicher; die Kontrabass-Pizzicati gehen dabei verloren. 
Manche Details des hochdifferenzierten Klanggewebes etwa im zweiten Themenkomplex können nur angedeutet bzw. unvollständig abgebildet werden. Vermutlich aus grifftechnischen Erwägungen werden beispielsweise Linien in den Violinen II und Violen mit Pausen unterbrochen und an praktikablen Stellen weitergeführt, die Bruckner im Original kunstvoll und kontrapunktisch zu einem durchgängigen Klangband verwoben hat. Das bei der Vortragsbezeichnung „innig“ (Takt 109) hinzutretende sequenzierende Motiv der Klarinetten hätte, auf einer eigenen Klangebene gespielt, den korrespondierenden Charakter mit den Streichern verdeutlicht, dies bleibt indes rein spieltechnisch unmöglich. Auch die nuancierte Binnendynamik, die im Original immer wieder von den Bläsern stabilisiert und intensiviert wird, lässt sich auf der Orgel nur eingeschränkt darstellen. 
Gegen Ende der Durchführung baut sich eine große Steigerungswelle auf, die u. a. vermittels fluktuierender Streichertremoli und schließlich eines vehementen Paukenwirbels in die Reprise des im dreifachen fff intonierten Haupthemas führt – ein dreifach potenzierter Oktavsturz, vermutlich ein Symbol der „Majes­tas Dei“. Die hier von Bruckner entfesselte spezifische Klangintensität des Orchestertuttis bzw. -tremolos kann auf einer Orgel schwerlich mit gleicher Intensität und Wirkung imitiert werden. Durchaus orgelgemäß gruppiert ist dagegen etwa der choralartige Übergang zur Coda. Blechbläser lösen die Holzbläser (Oboen, Klarinetten und Fagotte) blockartig ab.
 
Jürgen Geiger