Ralf Hoyer

Interludium (2016) für Orgel

aus dem Oratorium „wachet recht auff“ von Ralf Hoyer und Kerstin Hensel

Verlag/Label: edition gravis, eg 2463
erschienen in: organ 2017/04 , Seite 63

Passend zum Lutherjahr 2017 schuf der Komponist 2016 ein groß angelegtes Oratorium. Ralf Hoyer wurde 1950 in Berlin geboren und studierte an der dortigen Hochschule für Mu­sik „Hanns Eisler“. Zudem war er Meisterschüler für Komposition bei Ruth Zechlin und Georg Katzer. Er ist freischaffend tätig und erhielt mehrere Preise. Seine Werke werden international aufgeführt.
Das Oratorium wachet recht auff wurde im September 2017 dreimal präsentiert. Der Uraufführung im Dom zu Halberstadt folgten Aufführungen im Dom zu Brandenburg und in der Bayreuther Stadtkirche. Um die Dimension des Werks zu verdeutlichen, wird aus dem Einführungstext zitiert: „Der international renommierte Komponist Ralf Hoyer und die Schriftstellerin Kers­tin Hensel haben sich dem Leben und der Zeit Luthers mit einem großen Oratorium angenähert. Das spannende und dichte Werk knüpft bewusst an die Bach’sche Tradition der großen Oratorien an. Mit großer musikalischer Intensität gelingt es, die Wirkungen und Konflikte seines Lebens bis in die Gegenwart sinnfällig werden zu lassen, so dass schon beim ersten Hören eine starke Wirkung entsteht, der man sich kaum entziehen kann. Fünf Gesangssolisten, zwei Chöre, ein großes Symphonieorchester und ein Blechbläserensemble sowie die Orgel illustrieren eine Zeit, in der vor 500 Jahren die Reformation begann und die bis heute lebendig nachwirkt.“
Das vorliegende Interludium ist ein kurzer Instrumentalausschnitt aus eben diesem Werk, eine Art inhaltliche, rein instrumental angelegte „Verschnaufpause“. Dennoch vollzieht sich auch in dem Solo eine dramaturgische Entwicklung: Aus der Stille öffnet sich eine brausende Toccata. Verhalten beginnt das Werk mit Gedackt 8’ auf dem Nebenmanual (Oberwerk). Aus dem c’ öffnet sich ein brillanter Akkord, der dann abrupt vom vollen Werk beantwortet wird. Eine besondere Rolle kommt dem Pedal zu, das in Bachischer Manier aus Wechsel­figuren zwischen beiden Füßen besteht.
Von Luther über Bach zu Hoyer – diese Folgerichtigkeit spielt auch im weiteren Verlauf eine Rolle. Viergliedrige Figuren sind eindeutig aus der Bach’schen Orgeltradition abgeleitet. Sie gleichen allerdings zeitweilig auch Minimalfiguren, die sich bis in höchste Lagen erstrecken. Ab Takt 63 bilden sich monotone Akkorde, die die Musik quasi zum Stillstand bringen. Der folgende Teil (Oberwerk) besteht aus girlandenartigen 64teln, die von farbigen Akkorden begleitet werden. Nach homophonen Passagen öffnet sich die Musik in großen Clustern und Doppelpedal zum gewaltigen Schluss.
Die Notenausgabe der Edition Gravis ist klar und übersichtlich gestaltet, lässt beim Spieler keine Wünsche offen.

Dominik Susteck