Rübsam, Wolfgang
In dulci jubilo
10 Choralbearbeitungen zur Advents- und Weihnachtszeit
Wolfgang Rübsam, der durch eine Fülle viel beachteter und zum Teil hochdekorierter Schallplatten- und CD-Einspielungen hervorgetreten ist sowie als weltweit renommierter Konzertorganist und als gefragter Pädagoge in den USA (bis Sommer 2010 u. a. an der Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken) wirkt, tritt mit dieser Sammlung erstmalig auch als Komponist an die Öffentlichkeit. Rechtzeitig zur Weihnachtszeit präsentiert der Verlag Schott Music unter dem Titel In dulci jubilo 10 Choralbearbeitungen zur Advents- und Weihnachtszeit. Es handelt sich durchweg um (kontrapunktisch) gekonnt gearbeitete Miniaturen, die sich stilistisch an unterschiedlichen Vorbildern orientieren.
Freilich ist das große Vorbild des Leipziger Thomaskantors für den erfolgreichen Bach-Interpreten Rübsam ebenso präsent wie manche Aspekte des kompositorischen Werks (Choralvorspiele) seines Frankfurter Lehrmeisters und einstigen deutschen Bach-Papstes Helmut Walcha oder gewisse französische Impulse (Noëls, Toccaten), die ihm
etwa während seiner Pariser Studienzeit bei Marie-Claire Alain vermittelt wurden. Zu Beginn der Sammlung zeigt sich bei Nun komm, der Heiden Heiland motivische Feinarbeit in dem einen
Tenor-Cantus-firmus begleitenden Stimmengeflecht eine herbe, mithin noch spürbar adventlich gestimmte Tonsprache.
Klangsinnlich-süffig geriert sich hingegen O komm, o komm, Emmanuel mit Quintkanon im Pedal oder Vom Himmel hoch mit apart verfremdeter Melodieführung.
Manche Stücke lehnen sich sichtlich an (deutsche) spätbarocke Vorbilder an (In dulci jubilo), aber auch an volkstümliche altfranzösische Formen (Gelobet seist du, Jesu Christ).
Wiegende, pastoral anmutende Satztechniken (Wie soll ich dich empfangen) stehen neben Fanfarenartigem, wie beim ersten Teil des kleinen Triptychons zu O Heiland, reiß die Himmel auf, das außerdem ein an die Gemeindebegleitpraxis im lutherischen Gottesdienst des 18. Jahrhunderts erinnerndes Choralzeilen-Zwischenspiel à la BWV 722 aufweist, während der dritte, toccatenhafte Teil wieder eher an französische Vorbilder des 20. Jahrhunderts denken lässt. Der vollgriffige Satz mit raffiniert verstecktem Alt-Cantus-Firmus, der sich dem Choraltrio zu Macht hoch die Tür anschließt, könnte für eine geübte Gemeinde gar als kunstvoller Begleitsatz dienen. Sehr apart und bewusst alle Süßlichkeit meidend kommt die Bearbeitung zu Es ist ein Ros entsprungen daher, mit einem sich über dem Bassthema und seinen harmonischen Terzrückungen erhebenden Pastoralduktus, hier wieder eher an die weihnachtliche Mystik ernsterer (deutscher) Vorbilder angelehnt.
Insgesamt bleibt als ein durchweg positives Fazit zu ziehen, dass trotz erkennbarer stilistischer Nähe zu diversen gängigen (barocken) Mustern der traditionellen Orgelchoralbehandlung jedes einzelne der hier vorgelegten Opuscula Rübsams in sich konsequent und absolut stimmig durchgestaltet ist. Diese überaus stimmungsvollen Choralvorspiele zur Advents- und Weihnachtszeit eignen sich daher nicht nur für die Interpretation in Liturgie und Konzert, sondern dürften sich hervorragend auch als anschauliches Lehrmaterial für den Improvisationsunterricht empfehlen. Bleibt am Schluss daher nur zu hoffen, dass sich Komponist und Verlag möglichst rasch zu einer Fortsetzung (Choralbearbeitungen zu Passion und Ostern etc.) entschließen.
Christian von Blohn