Antonio Vivaldi
Il Suono Ritrovato – Works with obbligato Organ
Giulio De Nardo an einer venezianischen Orgel in Lonigo (Italien) und an der Giacinto Pescetti-Orgel in Polcenigo (Italien)
Bewertung: 4 von 5 Pfeifen
+ Claudio Rado, Violine; Priska Comploi, Oboe; Francesca Ascioti, Alt; Ensemble Sestier Armonico
Antonio Vivaldi zählt ungebrochen zu den bekanntesten, fruchtbarsten und bis heute beliebtesten Tonschöpfern seiner Zeit. Sein schier unerschöpflicher melodischer und harmonischer Einfallsreichtum nötigte schon seinen Zeitgenossen höchsten Respekt ab. So bearbeitete der junge Bach einige dieser damals hochgeschätzten Concerti für Tasteninstrumente und zog sicher einige wertvolle Lehren aus dieser Beschäftigung (Adagio in BWV 564, Concerto nach italienischem Gusto). Vivaldi wirkte überaus erfolgreich als Violinist und Pädagoge am „Ospedale“, einer Schule für verwaiste Mädchen in Venedig; für diese Tätigkeit schrieb er wohl den größten Teil seiner weit über 500 Concerti, die bisweilen auch mehrere solistische Instrumente neben der obligaten Violine beschäftigen. In einigen Kompositionen wird darüber hinaus eine außergewöhnlich prächtige Orchesterbesetzung gefordert („Concerto per Dresda“ beispielsweise). In manchen dieser Werke erscheint auch die Orgel als obligates Instrument, allerdings nicht im Sinne eines typischen, solistisch tragfähigen Parts im Sinne Bachs oder Händels, vielmehr ist Vivialdis „Organo obbligato“ Teil eines engen Gefüges mit solistischer Violine, Oboe und weiteren Instrumenten.
Das italienische Ensemble Sestier Armonico mit seinen Solisten Priska Comploi (Oboe), Claudio Rado (Violine), Giulio De Nardo (Orgel) sowie die Altistin Francesca Ascioti hat für diese Einspielung fünf Konzerte sowie je eine Arie und eine Sonata aus Vivaldis Repertoire mit obligatem Orgelpart ausgewählt. Zwei sehr klangschöne, sowohl weich als auch farbig klingende historische Orgeln des frühen 18. Jahrhunderts in Lonigo und Polcenigo geben dem Organisten De Nardo reiche Gelegenheit zu fantasievollen Registrierungen. Die hohe Verschmelzung des Orgelklangs mit den beigeordneten solistischen Instrumenten ist so integrativ gelungen, dass man von einem einzigen „Klangbogen“ sprechen könnte. In der Tat ist die prominente Rolle der Oboe hervorzuheben, die den klanglichen Eindruck eines „kollegial“ angereicherten Oboenkonzerts erweckt. Priska Comploi ist ihrer ebenso anspruchsvollen Aufgabe mit Virtuosität und Ausdrucksstärke bestens gewachsen; das Zusammenspiel mit den anderen Solisten zeugt von großer Vertrautheit und intensiver Probenarbeit.
Giulio De Nardo gibt im luxuriösen, mehrsprachig abgefassten Booklet Auskunft über die von ihm verwendete Registrierung und geht in einem kurzen Essay der Frage nach den mutmaßlichen Umständen der Entstehung dieser Werke nach. Der Klang der Aufnahme ist insgesamt rund und durchsichtig, lediglich der Klang der Oboe ist mir persönlich eine Spur zu sehr „an der Rampe“.
Christian Brembeck