Peteris Vasks
Hymnus für Orgel
„Die meisten Menschen haben heute keinen Glauben, keine Liebe und keine Ideale mehr. Die geistige Dimension geht verloren. Ich will der Seele Nahrung geben. Das predige ich in meinen Werken“, so der zeitgenössische lettische Komponist Pēteris Vasks, dessen 2018 komponierter Hymnus für Orgel im Jahr 2021 in der Edition Schott erschienen ist. Vasks wurde 1946 in Aizpute als Sohn eines baptistischen Pfarrers geboren – dies ist wichtig, um sein Werk besser verstehen zu können –, lernte Klavier, Violine und Kontrabass und vollzog während seiner Karriere den Aufstieg zu einem der bekanntesten Komponisten der ehemaligen Sowjetunion. So wurde beispielsweise der Asteroid (16513) Vasks nach ihm benannt. Doch er ist nicht nur in Osteuropa äußerst erfolgreich, sondern auch hier bei uns, dies belegen zwei Preise aus dem Jahr 2022, der Preis der Europäischen Kirchenmusik und der Opus Klassik als „Komponist des Jahres“.
Vorliegenden Hymnus widmete Vasks der lettischen Organistin Iveta Apkalna, bekannt auch als Titularorganistin der Hamburger Elbphilharmonie, die das Werk im Mai 2019 in der Walt Disney Concert Hall in Los Angeles zur Uraufführung brachte und darüber hinaus auch das kurze, einleitende Vorwort zur Notenausgabe des Werks verfasste. Der Hymnus ist ein Auftragswerk für die Los Angeles Philharmonic Association. Die Zahl bisheriger Aufführungsorte belegt dessen Erfolg, so wurde das Werk 2019 in Köln, Ventspils (Lettland) und Berlin aufgeführt, 2021 bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern und in diesem Jahr in Wien und Hamburg.
Sicher liegt dies auch an der tonal gedachten Musik, so steht das Werk überwiegend in E-Dur, dessen melodiöser, weihevoller Einstieg dem notierten „Andante maestoso“ völlig gerecht wird. Überhaupt bleibt das Werk durchweg im Bereich des Getragen-Gemessenen, wobei der immer wiederkehrende, auch leicht variierende Aufgriff des gleich auf Seite 8 einsetzenden Hauptthemas das ganze Stück durchzieht und für Zusammenhalt sorgt. Zwischen den hymnischen Passagen tauchen immer wieder lyrische Fragmente auf, zu spielen im Pianissimo, die den Durchlauf des Hauptthemas unterbrechen und für Abwechslung sorgen. Dieser Hymnus an den Frühling, der auch Vasks künstlerische und spirituelle Inspirationsquelle, die Natur, offenbart, schafft eine enge Verbindung von Religion und Natur – beides Einflüsse, die Vasks sehr beschäftigen. Weitere Einwirkungen waren die Landschaftsklänge Lettlands, der menschliche Gesang und die Vogellaute, die bei genauerem Hinhören erkennbar werden.
Der übersichtliche Notendruck besticht durch seine gute Lesbarkeit. Die Taktangaben am Beginn jeder Notenzeile sorgen für Überblick beim Spielen. Dabei gelten Versetzungszeichen nicht für den ganzen Takt, sondern besitzen nur für die jeweilige Note ihre Gültigkeit.
Da Vasks darüber hinaus das ganze Potenzial der Dynamikmöglichkeiten der Orgel von Pianissimo bis Forte ausnutzen scheint, lohnt sich das Spiel des auf 23 Seiten gepackten 13-minütigen Werks ohnehin.
Claudia Behn