Johannes Maximilian Schröder
Henri Mulet
Studien zur Orgelmusik
Der Komponist Henri Mulet durfte in seiner enormen Lebensspanne (geboren 1878 in Paris, gestorben 1967 in Draguignan) fast ein ganzes Jahrhundert voller grundlegender musikalischer Neuerungen mitverfolgen, die ihn als Organisten und Komponisten hätten prägen können. Trotzdem scheint er in der spätromantischen Schule, die er bei seinen Lehrern Widor und Guilmant ästhetisch erfahren konnte, steckengeblieben zu sein. Die „Gefährdungen“ der freien Atonalität gingen an ihm – ebenso wie an dem Komponisten Maurice Duruflé, mit dem ihn das hohe Maß an Selbstzweifeln verband – scheinbar spurlos vorüber. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls bei Lektüre und Studium seiner Orgelwerke, zu deren bekanntesten wohl der 1920 publizierte Zyklus Esquisses byzantines zählt.
Johannes Maximilian Schröder widmet nun diesem Komponisten mit seiner beim Dehm-Verlag publizierten Dissertation eine längst fällige Würdigung, und man kann sowohl Autor als auch Verlag nur zu der hervorragenden Publikation gratulieren.
Schröder gliedert seine Arbeit in einen biografischen Teil, eine umfangreiche Darstellung der organologischen Publikationen aus den 1920er Jahren, in denen sich Mulet für eine Synthese aus romantischem und „modernen“ Orgelbau ausspricht, wobei sich – wie bei vielen anderen französischen Organisten dieser Generation – seine Vorliebe für den englischen bzw. amerikanischen Orgelbau zeigt. Daneben vertrat er auch neoklassizistische Orgelideen, die sich vor allem an einer Aufhellung einiger „dunkel“ disponierter Cavaillé-Coll-Orgeln orientierten.
Im musikalisch-analytischen Teil werden musikalische Elemente in den Kompositionen Mulets analytisch präpariert und untersucht. Die Edition einiger mittlerweile vergriffener Orgelwerke des Komponisten rundet die Publikation zu einem musikalischen Kompendium über diesen Komponisten ab.
Die Edition ist in jeglicher Hinsicht vorbildlich und kann dem musikwissenschaftlich interessierten Kreis der Organistinnen und Organisten vorbehaltlos empfohlen werden.
Jörg Abbing