Rummel, Simon

Harmonielehre

[Dokumentation von Klang und äußerer Erscheinung einer Experimentalorgel zur Erkundung mikrotonaler Harmonien und deren Ver­bindungen]

Verlag/Label: Berslton 1160701 (2016)
erschienen in: organ 2017/02 , Seite 59

Diese CD dokumentiert auf mehreren beigefügten Fotokarten umfangreich die Arbeit des Baus und Klangs der Musikmaschine „Harmonielehre“. Schon die einzelnen Beigaben zum Booklet zeigen eine aufwändige Konstruktion aus zwölf die ganze Spieldauer des Stücks klingenden Orgelpfeifen. Die von mehreren Personen zu bedienende Maschine mit ihren Leitungskanälen und Bälgen, Stöcken, Pfeifen und Kurbeln mit ihrem vielen Holz und den angebrachten Gewichten gleicht einem Werk der bildenden Kunst.
Die Orgelpfeifen werden durch Schienen verlängert und verkürzt, so dass ständige Glissandi entstehen. Die Glissandi werden durch eine Kurbel erzeugt, die feste Proportionen vorgibt. „Es gibt drei Gruppen zu je vier Pfeifen, in jeder Gruppe zwei Pfeifenpaare, deren Veränderungsgeschwindigkeiten sich zuei­nander wie 2 : 3 verhalten. Die drei Gruppen wiederum verhalten sich in der Dauer ihrer Zyklen wie 3 : 4 : 5. Diese Proportionen repräsentieren außerdem idealiter das Schwingungsverhältnis der Abstände der drei Gruppen voneinander im Tonraum.“
Höhepunkt ist das Zusammenfinden aller Pfeifen zu einem strahlenden Dur-Akkord. Durch die fes­ten Proportionen gibt es einen gemeinsamen Teiler, so kommt das Stück auf seine Dauer von mehr als fünfzig Minuten. Die CD zeigt eine der Aufführungsvarianten, die durch unterschiedlich schnelles Drehen der Kurbel zu jeweils leicht unterschiedlichen Ergebnissen führt. Der Clou dabei ist, die Kurbel quasi mit dem Ohr zu steuern und je nach Erscheinungen der Klänge eine höhere oder niedrigere Geschwindigkeit zu wählen. Bei den Aufführungen steuert diese Kurbel der Komponist und Erbauer Simon Rummel.
Die Musik ist sicher nicht im klassischen Sinn dramaturgisch angelegt und gestaltet. Es handelt sich um eine mikrotonal changierende Klangfläche, die sich in ständigem Übergang befindet. Es gibt weder dynamische noch sonstige formale Abschnitte. Den Reiz des Hörens machen die Schwingungen und Schwebungen aus, die sich ständig ändern. Insofern muss die CD auch gar nicht von Anfang bis zum Ende gehört werden, sondern bietet eine Fläche zum ruhigen Entspannen, die mit viel Zeit gehört werden muss und sich erst bei genauerer Einlassung in ihrer Spannung entfaltet.
Da es sich bei der vorliegenden CD um die Dokumentation einer außergewöhnlichen Maschine gewissermaßen „außerhalb der Wertung“ handelt und keine klassische Interpretation oder Komposition vorliegt, kann auf eine Bewertung durch den Rezensenten ausnahmsweise verzichtet werden.

Dominik Susteck