Hakim plays Hakim

Bach’orama / Jonquilles / Mit seinem Geist / Theotokos / Salve Regina / Gershwinesca

Verlag/Label: signum classics, SIGCD284 (2012)
erschienen in: organ 2012/03 , Seite 56

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Der aus Beirut stammende und in Paris lebende Konzertorganist und Komponist Naji Hakim gehört sicherlich zu den profiliertesten und zugleich virtuosesten Vertretern der gegenwärtigen französischen Orgelmusikszene. Neben seiner Karriere als Organist und Improvisator (Titulaire an Sacré-Cœur und unmittelbarer  Messiaen-Nachfolger an der Pariser Trinité) tritt er nun verstärkt auch als Komponist hervor. Waren seine ersten Werke aus den „Sacré-Cœur-Jahren“ zumeist größere Formen gewidmet, die sich aus Themen des gregorianischen Chorals entwickelten, so geben die vorliegenden CDs einen Überblick über die nachfolgende Schaffensperiode der Jahre 2000 bis 2010. Hier geht es zumeist um Variationszyklen, die sich auf folkoloristische Vorgaben oder Choräle beziehen. Der musikalische Stil passt sich dem an und erscheint gegenüber den Frühwerken entschlackter, harmonisch direkter, rhythmisch geradliniger und mit klarem Bekenntnis zur Tonalität.
Der Katholik Hakim beschreibt sein Komponieren als „… verwurzelt in meinem Glauben, dem Lob Gottes und der Freude der Menschen gewidmet und inspiriert durch verschiedene kulturelle, religiöse und ethnische Quellen“. So entsteht bisweilen auch Ungewöhnliches, wenn er sich als französisch ausgebildeter Musiker mit arabischen Wurzeln der urprotestantischen Trutz-und Schutz-Hymne „Ein feste Burg …“ kompositorisch annimmt und das schon so oft gehörte Thema in sieben Variationen gehörig gegen den Strich aller musikalischen Konvention bürstet – oder wenn in Bach’ orama 28 Bach’sche Originalthemen vom Italienischen Konzert bis zum berühmten Air in einem grandiosen Pasticcio potpourri-artig durch den musikalischen „Mixer“ gedreht werden.
Mehrere Werke basieren auf dänischen Themen wie Jonquilles über drei österliche Gesänge, All My Founts Shall Be With You, I Love The Colourful World oder To Call My True Love To My Dance, welches in zehn Variationen ein Tanzlied kolportiert. Womit wir beim Stichwort wären: denn unvermeidlich hört man dieser Musik die essenzielle Nähe zum Tanz an durch die den Rhythmus setzenden Pedaltöne und die übersprudelnden Perpetuum mobile-Begleitfiguren. Unüberhörbar auch die Anlehnung an den Jazz, vor allem natürlich in der quirligen Gershwinesca, die in witziger und humoriger Rondo-Form einige Themen des Großmeisters des symphonischen Jazz bearbeitet. Hakim bedient seine Musik mit der an ihm geschätzten Souveränität und Grandezza, wobei er auch im dichtesten Virtuosengetümmel stets einen klaren Kopf behält.
Die Orgeln des dänischen Radios (Van den Heuvel: 2009, 91/IV/P, zugleich die größte Orgel Dänemarks) und im luxemburgischen Dudelange (Stahlhuth 1912 / Thomas Jann 2002, 78/IV/P) bieten alles, was Hakims Musik braucht, wobei die Dudelanger Orgel in ihrer Expressivität im direkten Vergleich charakteristischer erscheint und durch die in Kopenhagen fehlende Kirchenakustik dem Klang mehr veredelnden Raum schenkt.

Christoph Kuhlmann