Grande pièce symphonique

Werke von Camille Saint-Saëns, Charles Valentin Alkan und César Franck

Verlag/Label: organum classics 131032 (2013)
erschienen in: organ 2014/02 , Seite 52

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Helmut Deutsch, eine der interessantesten deutschen Musikerpersönlichkeiten, sowohl als Organist wie auch als Pianist, legt mit dieser CD eine beachtenswerte Aufnahme mit Pariser Orgelkunst der Hochblüte der symphonischen Orgelmusik, der Mitte des 19. Jahrhunderts, vor.
Schon das gewählte Instrument, die Dalstein & Haerpfer-Orgel (46/ III/P) der Kirche Saint-Sébastien im lothringischen Nancy aus dem Jahre 1881, die, frisch restauriert, vollkommen erhalten ist, setzt besondere Akzente. Johann Karl Härp­fer, Lehrling in der Werkstatt Steinmeyer nahe seiner Heimatstadt Nördlingen, später Geselle bei Wal­cker in Ludwigsburg und Haas in Luzern, lernte den Lothringer Nicolas-Étienne Dalstein beim Bau der monumentalen Cavaillé-Coll-Orgel von St. Sulpice in Paris kennen, als beide dort beschäftigt waren. Zusammen gründeten sie 1863 im lothringischen Boulay eine sehr erfolgreiche Orgelbaufirma. Das neue Instrument für Saint-Sébas­tien stellten sie in nicht einmal zweijähriger Bauzeit fertig.
In diesem meis­terhaften Instrument sind die Einflüsse des deutsch-romantischen Klangstils in Disposition und Bauweise genial mit dem Flair französischer Symphonik vereint. Doppelt labierte Holzflöten, charakteristische Streicher, verhältnismäßig massige Prinzipale, eine durchschlagende Klarinette, mechanische Kegellade mit Barkerhebel, ein schwellbares Positiv und ein Registercrescendo erklingen in vollkommener Symbiose mit originalen, in Paris gebauten französischen Zungen, einem Récit symphonique Cavaillé-Coll’scher Ästhetik sowie französischen Einführungstritten für Zungen und Mutations.
Helmut Deutschs virtuoser Einstieg erklingt mit Saint-Saëns’ Prélude et Fugue en mi-bémol majeur mitreißend und feurig, jedoch klar und durchsichtig gespielt. Den Höhepunkt im Repertoirewert dieser Aufnahme bietet zweifellos die Mu­sik Charles Valentin Alkans (Préludes 9 und 10 sowie Prières 1, 2, 5 und 11). Sowohl die ausgesuchte Delikatesse und Subtilität dieser Musik in Verbindung mit einer unerhört fantasievollen Klangregie und feinsinnigster Agogik von Deutsch lassen aufhorchen und verführen den Hörer, sich mit der Musik und der Person Alkans intensiv zu beschäftigen. Es folgt Franz Liszts La prédication aux oiseaux in der Orgelbearbeitung von Saint-Saëns in berü­ckender Interpretation mit delikatem Gebrauch der 4’-Flöten und vollen, ausdrucksvoll-predigenden Soli der intensiven Streicherfarben, musiziert mit einfühlsamer Agogik.
Das Werk, das dieser Veröffentlichung als Namenspate steht, César Francks Grande pièce symphonique op. 17, beschließt die Aufnahme. Deutsch nimmt diesen Franck sehr frei, ja expressiv-rhetorisch, meist musikalisch begründet und der Ste. Clotilde-Tradition folgend, doch manchmal bremst er sich selbst aus, was im Fluss der Komposition, besonders im „Allegro non troppo e maestoso“ des ers­ten Teils spürbar ist, dagegen in den rezitativischen Teilen die Aussage stark unterstreicht. Ein vortrefflich gestaltetes Booklet und eine exzellente Aufnahmetechnik runden diese lohnende Veröffentlichung ab.

Stefan Kagl