Georges Athanasiades – Grand Orgue de la Basilique de Saint-Maurice

Werke von Georges Athanasiades, Louis Broquet und Georges Cramer

Verlag/Label: Tudor 7206
erschienen in: organ 2017/02 , Seite 58

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Georges Athanasiades wurde 1929 in der Westschweiz geboren und studierte Theologie, Musikwissenschaft und Germanistik in Heidelberg und Freiburg im Breisgau. Am Konservatorium in Lausanne schloss er sein Musikstudium bei Georges Cramer (Orgel) ab, wurde 1952 zum Priester geweiht und ist seitdem Chorherr und Organist an der 1950 erbauten, neoklassisch-postromantischen Kuhn-Orgel (56/III/Ped) an der Basilique de Saint-Maurice im Kanton Wallis.
Die erste vorliegende CD mit dem Titel Patrimoine de l’Abbaye de Saint-Maurice beinhaltet zum einen kürzere Werke von Georges Athanasiades, die alle stilistisch durch parallel geführte Terzen, Quarten und Quinten, Bordunbässe, Mixturklänge und ganztönig alterierte Wiederholungen von Motiven eine archaische Atmosphäre verbreiten und in Reminiszenzen die Tonsprache eines Carl Orff evozieren. Der ausgiebige Gebrauch der Röhrenglo­cken nimmt leider den Reiz dieses Registers. Ein Kaleidoskop bietet die kurze Komposition Lisztiana Hellenica, in der das erste Thema, Liszts Klavierkonzert, mit Namenszitaten und der griechischen Nationalhymne verbunden wird, ohne aber eine tiefer Ausarbeitung zu erfahren.
Zum anderen sind auf dieser CD Werke des früheren Organis­ten der Abtei, Louis Broquet (1888–1954), und von Athanasiades’ Lehrer Georges Cramer (1909–81) zu hören. Sie überzeugen in ihrer kompositorischen Faktur (die sich im Timbre César Francks oder der Kopie barocker Vorbilder bewegt) und in der einfühlsamen, stilsicheren und klaren Ausführung durch den Interpreten. Ebenso überzeugt das Instrument in seiner zeitlosen Meisterschaft der Werkstätte Kuhn.
Die zweite, Les Bis [Zugaben] betitelte CD vereinigt Athanasiades’ auf Konzertreisen gerne gespielte Zugabenstücke, aufgenommen auf der Kuhn-Orgel, außerdem auf der Hauptorgel der Stiftsbasilika Wald­sassen (Brahms, op. 122). Wer dabei eine Zusammenstellung virtuoser Reißer erwartet, wird nicht auf seine Kosten kommen. Die Auswahl der Musik ist wohltuend entspannend und bemüht eher ruhige, meditative Originalwerke und Bearbeitungen, deren Urheber (außer Franz Liszt) nicht genannt werden. 
So stehen J. S. Bachs Choralbearbeitung „Jesus bleibet meine Freude“ aus BWV 147, die unvermeid­liche „Air“ aus BWV 1068 neben den Kantatenvorspielen zu BWV 106 und 156, Wagners Pilgerchor, Brahms’ „Herzlich tut mich verlangen“ op. 122/10 und dessen sehr träge einhergehender „Choral St. Antonii“ aus den Variationen über ein Thema von Haydn op. 56a, die Mozart’sche Sonata facile in C-Dur KV 545, Schuberts Litanei D 343 und drei Chopin-Préludes aus op. 28 auf dem Programm. Alles wird sehr ruhig und sauber im durchgehenden Legato in passender Registrierung musiziert. Die Aufnahmen sind tadellos in der Tontechnik, das Book­let (frz./dt./engl.) von mittlerem Informationswert und ebensolcher Qualität der Übersetzung.

Stefan Kagl