Manuel Rodrigues Coelho

Flores de Musica pera o Instrumento de Tecla & Harpa (1620), Volume 2

André Ferreira an der Bento Fontanes-Orgel (ca. 1770) der Igreja de Nossa Senhora da Encarnação, Mafra (Portugal); Ars Lusitana, Maria Bayley

Verlag/Label: Inventa, INV1013 (2023)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2024/03 , Seite 58

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Diese CD ist Teil eines längerfristigen Projekts, das 2020 mit der Neu­edition von Manuel Rodrigues Coelhos Flores de Musica begann – Blumen zum 400. Geburtstag.
Auf der Suche nach einem möglichst authentischen Rodrigues Coelho-Klang wurde das große Problem, dass keine der Orgeln mehr existiert, auf denen der Komponist spielte, mit der Bento Fontanes-Orgel in Mafra gelöst. Dieses Instrument wurde allerdings erst 150 Jahre (!) nach den Flores de Musica gebaut – auf den ersten Blick ein Anachronismus, auf den zweiten Blick und zugleich beim ersten Hören eine passende Wahl. Denn anders als die klanglich und optisch prächtigen iberischen Orgeln des 17. und 18. Jahrhunderts entspricht das Instrument aus Mafra weitgehend einer Renaissance-Orgel und somit der Klangwelt um 1600.
Das eingespielte Repertoire besteht aus liturgischen Stücken; nur einer der insgesamt 24 recht umfangreichen Tentos ist vertreten. Liebevoller Aufwand wurde betrieben: Organist André Ferreira und die Choral singende Ars Lusitana unter Maria Bayley wechseln sich gemäß der liturgischen Alternatim-Praxis bei Kyrie, Hymnus und Canticum ab. Die Choralmelodien sind zeitgemäßen Quellen entnommen und werden in rekonstruiertem Portugisisch-Latein vorgetragen. Das verzierungsreiche Orgelspiel und der Gesang sind im Tempo beherzt, entfalten aber ohne jede Hast eine wür­devolle, sakrale Atmosphäre.
Dies lässt die Welt Padre Manuel Rodrigues Coelhos (um 1555 – um 1635) lebendig werden. Seine Wirkungsstätten waren die Kathedralen in Elvas und Badajoz, bevor er an die königliche Kapelle zu Lissabon berufen und zum Organisten der Kathedrale ernannt wurde.
Ein historisches Verdienst des Portugiesen Rodrigues Coelho, der dem Werk des berühmten Spaniers Antonio de Cabezón (1510–66) verpflichtet war, besteht darin, dass er die Tas­tenkunst in den Rang der kirchlichen Vokalpolyphonie erhob. Der gewissenhafte Padre ließ sich dies 1617 von einer großen Autorität der nachfolgenden Generation schwarz auf weiß bescheinigen.
Wer die gut dosierten Ausführungen des Booklets (engl.) audiovisuell abrunden möchte, dem sei das Projekt-Tutorial mit der Bento Fontanes-Orgel, mit André Ferreira und der meisterlichen Kunst des Padres (https://www.youtube.com/ watch?v=lSWOwxj8CEA, 27 Min., engl.) ans Herz gelegt.
Schade, dass sich die silberne Scheibe nach einer Stunde und 51 Tracks nicht weiterdreht.

Johannes Ring