Flaschenpost-Geheimnisse

Paul Dukas und seine Schüler Alain, Messiaen und Duruflé

Verlag/Label: Rondeau ROP6115 (2016)
erschienen in: organ 2016/03 , Seite 57

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„Die Flasche, die ich ins Meer warf? Ich mache mir kaum Illusionen über die Anzahl derer, die die in ihr enthaltene Botschaft entziffert haben werden.“ Dieses Zitat des französischen Komponisten Paul Dukas (1865–1935) ist diesem Gesamtkunstwerk, so möchte ich diese fantastische Produktion des zum Aufnahmezeitpunkt erst 17-jährigen Sebastian Heindl vorneweg bezeichnen, vorangestellt.
Heindl, in seiner Jugend schon ein umfassend gebildeter Musiker (u. a. im Thomanerchor bei Georg Christoph Biller – dort zuletzt auch „Orgelpräfekt“ – und dem Leipziger Universitätsorganisten Daniel Beilschmidt), hat die gesamte Produktion neben den musikalischen Inhalten auch textlich (fundiert und informativ) sowie visuell (sinnhafte Ergänzung von Musik und Text) vorzüglich und überaus passend gestaltet. Von seinem Wissen und seinem enthusiastischen, mitreißenden Engagement zeugt nicht zuletzt auch Beitrag in organ 2/2016 zum nämlichen Thema.
Als musikalischen Hauptteil der Einspielung präsentiert Heindl eine Weltersteinspielung einer eigenen, rund 23 minütige Orgeltranskrip­tion der Ballettmusik La Péri für großes Orchester von Paul Dukas: ein überaus lohnendes, opulent und raffiniert instrumentiertes Werk von hoher Dichte und großer musika­lischer Meisterschaft. Aus dieser komplexen Orchester­partitur ein ebenso lohnendes Orgelstück zu machen, ist eine Aufgabe, die den jugendlichen Bearbeiter fraglos viel Zeit und Mühen gekostet hat. Auf der anderen Seite stehen die hohen Anforderungen an den Ausführenden, um die Orchestertrans­kription eines impressionistischen Großorchesterwerks einigermaßen in den verschiedenen Klangebenen, die sich immer wieder ein- und ausblenden, darstellen zu können.
Beides hat Heindl souverän und überzeugend gemeistert. Durch effektvollste Registrierungen, subtilen Schwellergebrauch, überraschende Akzente, orgelgemäße Umsetzung, beispielsweise durch Aliquotregis­trierung von Mixturklangfolgen der vom Komponisten original besetzten Célesta, überzeugenden Ersatz der Perkussionsinstrumente durch Orgelklänge und nicht zuletzt durch die kompetente Auswahl, was aus der riesigen Partitur sinnvoll auf zwei Hände und zwei Füße verteilt werden kann und was weggelassen werden muss, erreicht Heindl hier ein Optimum. Man darf hoffen, dass sich bald ein geeigneter Verleger findet, diese großartige Musik in der gelungenen Transkription für Orgel für die breitere Organisten­zunft herauszubringen.
Die weiteren Werke der CD stammen von drei (orgel-)bekannten Kompositionsstudenten Dukas’: Es sind die beiden Fantaisies von Jehan Alain, die komplette (frühe) L’Ascension von Olivier Messiaen und Maurice Duruflés Variationen über „Véni créator spiritus“ opus 4. Die Affinität zum gemeinsamen Lehrer Dukas ist auf dieser Aufnahme wunderbar nachzuvollziehen. Heindl spielt die Werke absolut authentisch, technisch perfekt, feurig, mitreißend – und eben auch wieder mit unendlicher Ruhe (in den langsamen Sätzen von L’Ascension) –, stets stimmig registriert. Er bändigt die Magdeburger Groß­orgel überlegen, und die Aufnahmetechnik präsentiert sie zudem in bestem Licht.
Bravissimo für dieses mitreißende Gesamtkunstwerk und für Sebas­tian Heindls Mentoren und Lehrer, die solches ermöglicht haben! Man spürt beim Anhören dieser CD, dass die Aufnahme ein besonderes Herzensanliegen des Interpreten im allerbesten Sinne des Wortes gewesen ist.

Stefan Kagl