Festliche romantische Orgelmusik

Leichte Prä- und Postludien des 19. Jahrhunderts, hg. von Andreas Rockstroh

Verlag/Label: Bärenreiter, BA 11260
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2022/03 , Seite 61

Noch einmal eine Ausgabe von Mis­cellanea der Orgelmusik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts innerhalb der unüberschaubaren Flut an ähnlichen Editionen unterschied­licher internationaler Musikverlage! War das nötig, lieber Herausgeber? Immerhin garantiert der renommierte Bärenreiter-Verlag ein weltweites Vertriebsnetz, entgeht freilich nicht dem Vorwurf, seinen eigenen Ka­talog im Sinne eines editorischen Pleonasmus’ zu überlas­ten und dem internationalen Noten­markt „Verstopfungshilfe“ zu leisten.
Wie dem auch sei: In der zweiteiligen, nach Prä- und Postludien gegliederten zweisprachigen Ausgabe (deutsch/englisch) finden sich neben kurzen Stücken bewährter deutscher Orgelmeister wie Wilhelm Friedrich Ernst Bach, Wilhelm Volckmar, Adolph Friedrich Hesse, Gustav Adolf Merkel solide gearbeitete, auch harmonisch reizvolle Kompositionen wie z. B. die Präludien von Johann Gottlob Schneider (1789– 1864), das Präludium C-Dur aus op. 60 von Carl August Kern (1836– 1897), Johannes Diebolds (1842– 1929) F-Dur-Nachspiel aus op. 43 sowie Stücke weiterer verdienter kompositorischer und kirchenmusikalischer Autoritäten ihrer Zeit. Etwas stereotyp-polyphone, der Epoche letztlich verpflichtete Imitationstechniken in weitgehender Plenumregistrierung kennzeichnen die hier ausgewählte Gebrauchsmusik. Dazu kontrastierende lyrische Charakterstücke und Triosätze finden sich bedauerlicherweise überhaupt nicht.
Editionstechnik und Notensatz entsprechen dem exemplarischen Bärenreiter-Standard. Hilfreich sind die Kurzbiografien der Komponis­ten, allerdings vermisst der Rezensent ein kurzes Quellenverzeichnis und geht nicht konform mit dem Argument des Herausgebers im Vorwort: „Da es sich vornehmlich um eine Ausgabe für die kirchenmusikalische Praxis handelt, wurde auf ein Quellenverzeichnis verzichtet. Die Stücke stammen hauptsächlich aus Sammelbänden mit Orgelmusik des 19. Jahrhunderts.“ Wenn schon Qualität (auch bei einer doch etwas überflüssigen Edition), dann doch in Gänze. Schließlich verdient der organistische Laie durchaus eine Rundum-Information innerhalb der Edition eines schon aus Tradition dem Urtext verpflichteten Verlag!
Aufgehübscht wird das Heft durch das opulente Hochglanz-Cov­erfoto eines gotischen Kathedralraums, dessen architektonische Erhabenheit aber nicht ganz zum musikalischen Innenleben der Ausgabe zu passen scheint … Marketingstrategie?

Wolf Kalipp