Maintz, Philipp

ferner, und immer ferner

Musik für Orgel solo

Verlag/Label: Bärenreiter BA 9367
erschienen in: organ 2011/03 , Seite 60

Die Orgel ist wesentlich ein Instrument des Raums. Das Orgelstück ferner, und immer ferner von Philipp Maintz deutet auf ihre genuinen Möglichkeiten, den Klang durch einzelne Teilwerke zu bewegen und schließlich im Schwellwerk „verschwinden“ zu lassen. Die Orgel ist so eng mit dem Raum verwoben, dass ihre Individualität vom Komponisten einkalkuliert werden muss. Um sich der Orgel angemessen zu nähern, ist es wünschenswert, dass der Komponist sich mit verschie­denen Orgeltypen beschäftigt und seine Erfahrungen mit den Instrumenten in die Komposition einarbeitet. Der Siemens-Preisträger Philipp Maintz schrieb seine Orgelkomposition zunächst für die Bornefeld-Orgel der Kasseler Martinskirche, die Uraufführung besorgte Eckhard Manz 2007. Zwei Jahre später spielte Francesco Filidei eine Neufassung in Saint Eustache, Paris, deren Registrierung von Jean Guillou stammt. Sie wird den meisten gro­ßen Orgeln in französischem Stil gerecht und bildet die Grundlage der jetzigen Notenausgabe.
Schon ein erster Blick auf den Notentext zeigt eine exzellente, übersichtliche Partitur, die der komplexen Musik entgegenkommt. Technisch ist die Musik nicht einfach zu bewältigen. Die Unterteilung der 17 Minuten langen Musik in zwei Sätze erleichtert die Ausführung. Die in großer Tiefe schattenhaft vorbeihuschenden Elemente des ersten Satzes werden mit sehr leisen, quasi aus der Ferne schimmernden Liegeklängen und fluktuierenden Trillern verbunden. Bruchstückhaft wechseln sich im Kanon jagende Läufe ab, bis die Musik gegen Ende ins gewaltige Fortissimo mündet.
Der von kreisenden Basstönen dominierte zweite Satz verbindet Os­tinato und Rezitativ. Seinen Höhepunkt findet er in einem von Regis­terwechseln beherrschten Abschnitt. Der Komponist schreibt selbst da­rüber: „Diese Passage geht auf eine Improvisation zurück. Im Sommer 2007 hatte Jean Guillou […] einen Meisterkurs abgehalten. […] Nach Beendigung des Kurses hatte ich an einem Abend aufsteigende Akkordprogressionen improvisiert, und da­bei – so schnell die Setzeranlage es zuließ – alle 640 vorprogrammierten Einstellungen, die nach dem Kurs noch gespeichert waren, nacheinander abgerufen […]. Der Effekt war, dass wie im Zeitraffer Dramaturgien fremder Stücke vorbeiflogen.“ Die reprisenartig aufblitzenden Registrierungen interpretiert Maintz als „Repertoire-Daumenkino“, das auf die historische Dimension seiner Musik verweist.
Es handelt sich um eine Musik, die wohl nur für Experten ihres Fachs in Frage kommt und Orgeln mit mindestens drei Manualen verlangt. Dennoch lässt sie sich auf vielen Instrumenten aufführen, da Maintz auf besondere Spieltechniken und Spielhilfen verzichtet.
Dominik Susteck