Felix Mendelssohn Bartholdy – Das gesamte Orgelwerk

Organistinnen und Organisten aus dem Erz­bistum Paderborn

Verlag/Label: 3 CDs, Erzbistum Paderborn (https://klangraum-kirche.de/ service/medien/) (2023)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2023/01 , Seite 61

Bewertung: 4 von 5 Pfeifen

Einspielungen von Felix Mendelssohn Bartholdys Präludien und Fugen op. 37 und Sonaten op. 65 liegen zuhauf vor – zu Recht kann man sagen, dass Mendelssohn zu einem Liebling der Organisten und des Pub­likums geworden ist. Die Paderborner Einspielung ergänzt zu „alle“ überlieferten Orgelwerke, nicht weniger als drei Organistinnen und 14 Organisten waren beteiligt. Anlass gab der 175. Todestag Mendelsohns am 4. November 2022, den Dominik Susteck als neuer Leiter des Fachbereichs Kirchenmusik im Erzbistum Paderborn für diese Edition nutzte.
Die Aufnahmen fanden an vier historischen romantischen Instrumenten statt, von denen die inte­ressanteste die Orgel in Eslohe-Reiste (1854, II/29) von Anton Fischer aus Beckum ist. Sie enthält noch einige Register aus der ehemaligen Grafschafter Orgel von 1633 (I/10), weitere Register des 18. Jahrhunderts unbekannter Herkunft, darunter die Vox humana (!), während Fischer Laden und zehn Register 1854 neu fertigte; 2018 musste Eule sechs Register erneuern. Zwar sind im Internet die Daten zu dieser und den anderen Orgeln teilweise zu eruieren, doch ist es das große Manko dieser Edition, dass das Booklet nur die Baujahre und letzte Restaurierungen verzeichnet.
Auch der Paderborner Orgelbauer Carl August Randebrock (1825–1876) war nicht nur regional bedeutend. Dass er sehr solide Schleifladen-Instrumente zu bauen verstand, ist an den hier vorgeführten drei Orgeln von Paderborn-Dahl (1865, II/21), Meschede-Calle (1861, II/ 26) und Heddinghausen (1864, II/ 15, dazu 4 Doppelschleifen) abzulesen und abzuhören. Keines der Instrumente allerdings stammt aus der Lebenszeit Mendelssohns, sie gehören einer späteren Epoche an, sind damit grundtöniger, weniger durchhörbar. Die Aufnahmetechnik, etwas entfernt von den Instrumenten positioniert, lässt so viel Nachhall zu, dass z. B. die charakterstiftenden Pausen im Kopfsatz der c-Moll-Sonate geschluckt werden.
Zu Recht sind auch nicht alle der 63 MWV-Nummern vertreten; einige Jugendwerke, die meisten „Vorproduktionen“ der späteren Sonatensätze sowie die beiden Fugen für zwei Spieler sind nicht aufgenommen. Dafür hört man die Fugen e-Moll (MWV 24) und f-Moll (26), das Andante D-Dur (32) und das Andante F-Dur (30), das Allegro d-Moll/D-Dur (33), die Passacaglia c-Moll (7) und die Choral-Partita Wie groß ist des Allmächt’gen Güte (8) sowie den Choral O Haupt voll Blut und Wunden (27) mit seinem Variations-Fragment. Leider ist hier und für die Fantasie und das Fugen-Fragment g-Moll (9) der Name desjenigen nicht angegeben, der sie vollendete.
Für die Booklettexte sorgten Paul Thissen (Kompositionen) und Jörg Kraemer (die Orgelwelt Mendelssohns) mit kundigen Beiträgen; hier findet man auch die Kompositionsdaten und MWV-Nummern. Dass die meisten Titel werkgetreu legato eingespielt sind, versteht sich von selbst. Dass es auch anders geht, zeigt Adam Lenart mit der blendenden Fuge B-Dur (54, Variante zu op. 65,4, 4. Satz) und der Fuge e-Moll (24) im gekonnten Nonlegato. Ein Licht geht auf, wenn am Ende der dritten CD bei den Sonaten B-Dur und D-Dur die Fischer-Orgel in Reiste erklingt. Der lichte Klang dieser Orgel macht Mendelssohns Werke hörgerecht. In den Binnensätzen der Sonaten dürfen auch einmal Soloregister erklingen; von besonderem Reiz ist hier der mystische Klang der Flauto traverso in Reiste.

Rainer Goede