Johann Sebastian Bach

Fantasie & Fuge BWV 542 / Triosonate BWV 529 / Sinfonia BWV 29 / Partita BWV 768

Verlag/Label: Dabringhaus &?Grimm, MDG 316 0127-2 (2017)
erschienen in: organ 2018/01 , Seite 54

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Man kennt den niederländischen Organisten Ben van Oosten bislang vornehmlich als ausgewiesenen Interpreten des symphonischen Orgelmusikrepertoires Frankreichs. Davon zeugen nicht zuletzt seine Einspielungen der Orgelsymphonien von Guilmant, Vierne und Widor, die er für das Label Dabringhaus & Grimm (MDG) an A. Cavaillé-Coll-Orgeln produzierte. Darüber hinaus liegen von ihm Gesamteinspielungen der Orgelwerke von Marcel Dupré oder von Camille Saint-Saëns vor. Sie wurden mit zahlreichen Schallplattenpreisen ausgezeichnet, und van Oosten erhielt für seine Verdienste um die fran­zösische Orgelmusik überdies ehrenvolle Auszeichnungen. Er wirkt
zudem als Titularorganist an der Grote Kerk in Den Haag und lehrt am Rotterdamer Konservatorium.
All dies hat mit den Jahren vielleicht ein wenig in den Schatten treten lassen, dass van Oosten als junger Künstler durchaus auch Johann Sebastian Bach zugeneigt war. MDG hatte 1983 eine Produktion mit Bach-Werken an der Orgel der Grote Kerk im niederländischen Breda gemacht und als Schallplatte (Vinyl) herausgebracht. Soeben ist eine Wiederveröffentlichung der damaligen Aufnahme als digitales Remake auf CD erschienen. Und diese Einspielung zeigt einen Interpreten, der im Umgang mit den klanglichen Möglichkeiten dieses Instruments (das schon in den Jahrhunderten zuvor mehrmals umgebaut und in den Jahren 1968/69 von der Firma Flentrop noch einmal umfassend erweitert worden war) und seiner tiefen Durchdringung der musikalischen Struktur imstande ist, eine geradewegs magische Faszinationskraft zu erreichen. Dabei lässt er alle extravaganten Klangmischungen völlig beiseite und arbeitet allein in den Klangvorstellungen des Barock; doch mit den subtil leuchtenden Registerfarben, die er wählt, erzielt er in Zusammenhang mit seiner klaren Artikulationsweise
eine überragende Durchsichtigkeit der kontrapunktisch durchwirkten Textur.
Flexibel und biegsam in der Zeichnung des melodischen Verlaufs geht van Oosten an die bekannte g-Moll-Fantasie BWV 542 heran, prägnant modelliert er die Stimmen der sich anschließenden großen Fuge über ein niederlän­disches Liedthema heraus. Voller Präsenz und Transparenz – wenn auch in den Rahmensätzen vielleicht ein klein wenig zu unbeugsam in der Motorik – bekommt man die Triosatzstruktur der C-Dur Sonate BWV 529 zu hören.
Die große Choralpartita (pedaliter) „Sei gegrüßet, Jesu gütig“ (BWV 768) mit ihren elf Variationen ist eine geglückte Herausforderung für Ben van Oosten, im Spiel mit den Farbmischungen die kompositorischen und musikalischen Charakteristika der einzelnen Glieder he­rauszuarbeiten. Und auch damals zollte der Interpret Marcel Dupré Respekt. Denn mit der Bach’schen Sinfonia zur Kantate 29 (Ratswahlkantate „Wir danken dir, Gott, wir danken dir“) legte van Oosten eine Orgelbearbeitung Duprés vor, in der er nicht nur mit überwältigender Energie und Zugkraft begeistert, sondern zugleich mit der erreichten grandiosen Plastizität beeindruckt.

Thomas Bopp