Robin, Jean-Baptiste (*1976)

Fantaisie Mécanique

Music with Organ

Verlag/Label: Brilliant Classics 95479 (2017)
erschienen in: organ 2017/02 , Seite 58

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Der 1976 geborene französische Komponist und Organist Jean-Baptiste Robin stellt den Begriff „Fantaisie mécanique“ quasi als Motto über seine CD – und formuliert damit ein offensichtliches künstlerisches Paradox: auf der einen Seite Fantasie, die mit kreativer Freiheit, Intuition, Grenzenlosigkeit assoziiert werden mag, auf der anderen das Mechanische, also starre Abläufe, reglementierte Bewegungen, letztlich immer Vorhersehbares … und vor allem Präzision wie ein (mechanisches) Uhrwerk! Ausgerechnet eine Maschine ist es, die aus Sicht Robins diese Widersprüche fantasievoll miteinander versöhnt: die „Orgelmaschine“, das von ihm favorisierte Instrument!
Uhrwerkspräzision und ungezügelte Emotion schließen einander auf der Orgel bekanntlich jedoch nicht aus, bedeuten nicht wirklich unüberwindbare Dualismen, wie Robins sehr inspirierende Solo-Kompositionen auf dieser CD beweisen (Trois Solos, Cinq Versets sur le Veni Creator). Gleichwohl zeigt sich das Instrument von Natur aus weniger flexibel als beispielsweise ein Streichorchester oder eine Trompete, eine Klarinette oder ein Klavier – weshalb Robin genau diese bei seiner Produktion als wechselnde Partner mit der Orgel kombiniert. Klavier und Orgel etwa scheinen in Étoile intérieur, nach geheimnisvoll-verhaltenem Beginn, recht eruptiv nicht ein Objekt der Milchstraße, sondern das eigene Innere zu erkunden. Récits Hèroïques für Trompete und Orgel erzählen drei höchst unterschiedliche „Heldenlegenden“, mal traurig („L’ange noir“), mal mit heftiger Attacke („Épopée“). Ganz besonders ausdrucksvoll gelingt Ro­bin der „Gesang der Seele“ (Chant de l’Âme) mit der Klarinette als Solo­instrument, deren tief empfundenen Melodien die Orgel weitgehend ein sattes Klangfundament bietet.
Gegensätze, liest man im CD-Booklet, ziehen Robin an. Vor allem auch die bereits im Mittelalter aufgestellten zwischen musica mundana und musica humana. Kenntnis von diesem philosophischen Ansatz muss man indes nicht haben, um beispielsweise Robins Mechanic Fantasy für Streicher, Pauken und Orgel zu lauschen, der ein gewisses minimalistisches Moment innewohnt und die gleichzeitig der Freiheit des gregorianischen Gesangs anzuhängen scheint: Mechanistisches gepaart mit frei fließender Fantasie!
Von Letzterer hat Robin, Organist an der Chapelle Royale zu Versailles, jede Menge. Seine Musik ist Takt für Takt originell, spricht ihre eigene Sprache, durchaus unter Rückgriff auf die der französischen Tradition des 20. Jahrhunderts. Robin selbst sitzt hier an den Tasten der großen Stahlhuth/Jann-Orgel (IV+P/78) von 1912 ff. von St. Martin im luxemburgischen Dudelange. Insofern darf man sicher sein, dass es sich hier um eine Einspielung handelt, die voll und ganz den Intentionen des Komponisten entspricht!

Christoph Schulte im Walde