Essl, Jürgen

Espacios

Kompositionen und Improvisationen, SACD

Verlag/Label: ORGANpromotion 8008 (2010)
erschienen in: organ 2011/04 , Seite 50

Bewertung: 4 Pfeifen

Wie ein kleines Buch ist die SACD aufgemacht. Der Titel Espacios bedeutet hier wohl die Kombination von Klang mit sakraler Architektur zu einem Klangraum – ein Eindruck, der im Booklet durch die Klang­raumbilder von Iris Duwensee und Gregor van den Boom verstärkt wird. Doch handelt es sich bei dieser CD nicht um spanische Orgelmusik, sondern um eine Auswahl aus dem Orgelœuvre (1988-2002) von Jürgen Essl, angemessen und souverän interpretiert von Markus Eichenlaub. Die Orgelkompositionen lassen konzeptionellen Raum für fünf Improvisationen Essls, die sinnig als Espacios betitelt sind.
Musikalische Formen und Spieltechniken sowie interpretatorisch und improvisatorisch hoher Anspruch treffen im weiten Raum der Klos­ter­kirche Sant Francesc in Palma de Mallorca auf ein bemerkenswertes Instrument. In das Gehäuse (16. bis 18. Jahrhundert) integrierte der renommierte deutsch-spanische Or­gel­bauer Gerhard Grenzing unter Verwendung der erhaltenen Prospektpfeifen und spanischen Trompeten des Meisters Bosch (1772) eine neue Orgel als „Spiegelbild des internationalen Orgelbaus der letzten Jahrhunderte“ in enger Verbindung „mit der örtlichen Orgelbautradition und der Figur von Jordi Bosch“ (G. Grenzing). Auf diesem exquisiten Instrument lässt sich auch sinfonisch und modern spielen und agieren.
Im Booklet wird behutsam einiges erklärt und beschrieben: Kurzbiografien der beiden Künstler, Erklärungen des Orgelbauers – er ist der dritte Künstler – und Jürgen Essls über seine Orgelwerke. Was aber besonders fasziniert, sind die Klangraumbilder. Sie stellen eine visuelle Huldigung dieses ehrwürdigen Kirchenraums mit seiner besonderen Kirchenorgel dar, sind nicht einfach ein nettes Beiwerk zur Musik, sondern eine beeindru­ckende sinnvolle Bereicherung, die den staunenden Hörer und Betrachter darüber hinweg zu trösten vermag, dass er bei diesem Ereignis nicht persönlich dabei war. Die Aufnahmetechnik trägt zur lebendigen, audiophilen, fast schon körperlich wahrnehmbaren Präsenz bei.
Von Essls vielschichtigen Orgelwerken gefielen dem Rezensenten besonders „Ohne Worte“ aus den Fünf Momentaufnahmen op. 4, 1989, die so monumental den Raum füllen, und die „Chaconne über
Veni Creator“ aus Dialoge op. 16, die sanft durch den Raum schweben. Essls Begeisterung ist nachvollziehbar: „Grenzings Synthese verschiedener Orgelbautraditionen bringt einen neuen und sehr persönlichen Charakter hervor, in dem sich meine Musik ganz und gar wiederfindet.“ Espacios bietet hierfür den Raum, den Klang und traumhafte Bilder – Klangraumbilder. Ein in jeder Hinsicht beeindruckendes Klangraumbilderbuch.
Johannes Ring