Sigfrid Schibli

Erlebnis Orgel

Die schönsten Instrumente in und um Basel

Verlag/Label: Reinhardt, Basel 2023, Großformat, 160 Seiten, zahlr. Farbabb., 44,80 Euro
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2023/03 , Seite 58

Diese Umschau des selbst Orgel spielenden Musikwissenschaftlers und früheren Musikkritikers bei der Basler Zeitung hat vor allem im Blick, an Kultur und insbesondere Musik Interessierte für das vielgestaltigste Instrument zu gewinnen. Dieses Ziel dürfte erreicht werden, zumal sowohl die einführenden Kapitel zur Orgel allgemein, ihren unterschiedlichen stilistischen Ausprägungen und zu regionalen Besonderheiten als auch die nachfolgenden knapp sechzig Orgelporträts selten den Umfang einer Doppelseite überschreiten und sporadisch gelesen werden können.
Auch die Auswahl der vorgestellten Instrumente ist plausibel: In einem Radius von rund 35 Kilometern werden Orgeln aus dem Stadtgebiet von Basel, den angrenzenden Kantonen Basel-Land, Aargau und Solothurn sowie aus dem elsässischen Sundgau und Südbaden (Markgräflerland) vorgestellt. Auf die Wiedergabe von Dispositionen wurde sinnvollerweise verzichtet, zumal diese in der Fachliteratur und inzwischen auch auf etlichen Inventarseiten im Internet zugänglich sind.
Mit ihren flüssigen Formulierungen laden Sigfrid Schiblis Texte ein, sich mit der Materie genauer zu beschäftigen und das eine oder andere Instrument gelegentlich bei Konzerten zu besuchen oder gar selbst zu spielen. Leider stellen sich immer wieder kleine Ungenauigkeiten oder Widersprüche ein: So betont der Autor auf S. 30, dass Orgelbauer gerne exterritoriale Stile „exportieren“, respektive „importieren“; wenige Zeilen später wird deutlich, dass die Initiative hierfür eher von den Auftraggebern oder nicht dem Handwerk angehörenden Experten ausgeht. Schade ist auch, dass die durch die Reforma­tion verursachte jahrhundertelange Orgel-Abstinenz in weiten Teilen der Schweiz nicht thematisiert wird. Die Qualität der Bilder schwankt deutlich; in einigen Fällen wären mühelos professionelle Aufnahmen erreichbar gewesen. Fachbegriffe werden selbstverständlich gebraucht, ohne etwa durch Kursivschrift auf ihre Erklärung im Glossar aufmerksam zu machen. Dagegen sind zentrale Aussagen typografisch etwas zu plakativ hervorgehoben; etwas mehr Ruhe im Layout hätte das vorbildliche Engagement der Macher ebenso wenig beeinträchtigt wie eine etwas handlichere Buchbreite.
Dennoch ist der Band für (werdende) Orgel-Liebhaber und -Kenner gleichermaßen interessant; Letztere entnehmen ihm unbekannte und anregende Details. So liest man etwa vom rührigen, in Basel wirkenden Orgelbauer Jakob Zimmermann (1860–1939) oder dem Arciorgano mit 36 Tönen pro Oktave, das Bernhard Fleig 2016 nach Nicolas Vicentino (1511–76) für die Musikakademie schuf. Besonders sympathisch ist, dass der Autor nicht nur „Leuchttürme“ wie Konzertsäle oder Hauptkirchen bedenkt, sondern viele kleinere, ja unscheinbare Orte und ihre Instrumente zur Sprache bringt.
Die Publikation macht somit Lust darauf, die Vielfalt der Orgeln im Dreiländereck am Rheinknie zu erkunden; Bücher dieses Zuschnitts sind für weitere Regionen unbedingt wünschenswert.

Markus Zimmermann