Elohenu

Hebräischer Gesang für Viola und Orgel

Verlag/Label: Ambiente ACD-3032
erschienen in: organ 2017/01 , Seite 58

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Im 19. und frühen 20. Jahrhundert erlebte die jüdisch-liberale Synagogalmusik ihre Hochblüte, insbesondere in Deutschland. Doch in der „Reichskristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938 wurden nicht nur fast alle vorhandenen Synagogenorgeln zerstört, sondern gleichzeitig auch die bis dahin bestehende jüdische Musikkultur ausgelöscht. Bei den heutigen in der überwiegenden Mehrzahl orthodox ausgerichteten jüdischen Gemeinden ist diese nahezu erloschene Tradition weitgehend unbekannt.
Der Bratscher Semjon Kalinowsky gehört hierzulande zu den wenigen jüdischen Musikern, die mit großem persönlichen Engagement versuchen, dieses musikalische Erbe nicht gänzlich in Vergessenheit geraten zu lassen: in Form etwa von Konzerten, CD-Einspielungen und Forschungsarbeiten in Bibliotheken. Die vorliegende CD ist vor diesem Hintergrund zustande gekommen und zu verstehen. Es erklingen Werke von Max Bruch, Friedrich Gernsheim, Samuel Altman und Ferdinand Halphen. Dabei handelt es sich in der Regel um Bearbeitungen, die im Original für Viola oder Violoncello mit Klavier-, Harmonium- oder Orches­terbegleitung konzipiert sind. Die eingespielten Orgelwerke sind hingegen Originalkompositionen (zwei Festpräludien von Louis Lewandowski, Passacaglia und Fuge über „Kol Nidre“ von Siegfried Würzburger, zwei Hochzeitsmärsche von Ernest Bloch und Deux pièces hébraïques von Alexandre Tansman).
Kalinowsky gelingt es, den Viola­part genregemäß mit ausdrucksvollen Kantilenen zu gestalten. Hierbei kommt auch die verwendete his­torische Viola von Johann Baptist Schweitzer aus dem Jahr 1817 mit ihrer Klangpracht vollauf zur Geltung. Als ebenbürtiger, einfühlsamer Partner an der Orgel erweist sich Franz Danksagmüller, seit Oktober 2005 Professor für Orgel und Improvisation an der Musikhochschule Lübeck.
Ein Glücksfall ist die hier zu hörende historische Walcker-Orgel von 1908 (pneumatisch, III/P, 41 Regis­ter), restauriert 2001 von der Werkstatt Christian Scheffler, in der Heiligen-Geist-Kirche Rostock. Da sie genau aus der Zeit stammt, in der der Synagogen­orgelbau florierte (al­lein die Firma E. F. Walcker baute über dreißig Sy­nagogenorgeln!), vermittelt sie dem Hörer ein repertoire­gemäß-authentisches Klangbild.
Rundherum eine empfehlenswerte Edition mit einem besonderen Repertoirewert!

Achim Seip