Mussorgsky, Modest

Eine Nacht auf dem kahlen Berg

bearbeitet für Orgel von Zsigmond Szathmáry

Verlag/Label: Bärenreiter BA 11211
erschienen in: organ 2013/02 , Seite 59

Modest Mussorgskys (1839-81) Werke fanden oftmals erst in von fremder Hand bearbeiteter und damit zumeist geglätteter Form größere Verbreitung. Seine 1867 unter dem Titel Johannisnacht auf dem Kahlen Berge abgeschlossene sinfonische Dichtung, von der er selbst mehrere Versionen erstellte, wurde zu Lebzeiten nie aufgeführt. Nikolai Rimski-Korsakows nach dem Tod des Komponisten entstandene, tiefgreifende Umarbeitung zur Orches­terfantasie Eine Nacht auf dem Kahlen Berge verhalf dem Werk 1886 entscheidend zum Durchbruch und ist in dieser Fassung bis heute noch das „Mittel der ersten Wahl“.
Dergestalt ist sie auch Grund­lage der vorliegenden Bearbeitung des renommierten Freiburger Komponisten und emeritierten Orgelprofessors Zsigmond Szathmáry, dem es hier hervorragend gelungen ist, dieses orchestrale Bravourstück russischer Programmmusik des 19. Jahrhunderts für die Orgel zu erschließen. Konsequent wurden viele Artikulationszeichen und Phrasierungsbögen der Partitur auf differenziert dargestellte Einzelstimmen übertragen. Zudem ist die orches­trale Dynamik sinnvoll orgelgemäß gruppiert und angepasst, ohne ein Übermaß an letztlich doch sinfonischer Übergangsdynamik. Akkurat transfiguriert der Herausgeber den Orchestersatz, eigene Zutaten vermeidend. Feinsinnig und elegant gibt er zuweilen dem melodisch-linearen Gestus gegenüber Staccato-Tonrepetitionen, Streichertremoli, Trillern oder einem Paukenwirbel den Vorzug.
Didaktisch anschaulich ist die Benennung von Instrumenten bzw. Instrumentengruppen in der Orgelausgabe, einem Klavierauszug ähnlich. Bisweilen können diese An­gaben auch bei der Klanggestaltung helfen. Zweckdienlich sind die „lediglich schematischen“, an der französischen Orgelsymphonik orientierten Registriervorschläge und Manualverteilungen, die sich auf eine (mindestens) dreimanualige Orgel (G.O. / Pos. / Rec.) beziehen. Gleich zu Beginn des „wilden“ „Allegro feroce“, nach wirbelnden Triolen und einem kurzen Aufheulen von „Geisterstimmen“, wird vom Interpreten ein locker-federnder Anschlag verlangt, um die schnellen, sich perkussiv wiederholenden Achteldoppelgriffe adäquat wiederzugeben. Selbstverständlich sollte die Spieltraktur dementsprechend geschmeidig und reaktionsfähig sein.
Insgesamt birgt das Stück für den versierten Spieler keine speziellen technischen Schwierigkeiten. Die virtuose Herausforderung liegt da­rin, den ungestüm vorwärtstreibenden Charakter der Musik zu vermitteln. So etwa in der Leichtigkeit fla­ckernder Wechselnoten, spannungsgeladener Fanfarenmotive und dem letztlich furiosen Impetus des „Hexensabbats“ („piu animato“; „animato assai“). Lautmalerisch läutet schließlich „auf dem Höhepunkt der Orgie“ ein Glöcklein (Campana) den von Korsakov seinerzeit neu verfassten, ruhigen Schlussabschnitt ein. Zarte Harfenarpeggien auf Flûte 4’ und Solostimmen (Flûte 8’ oder Hautbois 8’) wechseln einander ab. Leise verebbend, mit lichten Klängen endet der nächtliche Spuk: „Der Tag bricht an.“

Jürgen Geiger