Gade, Niels Wilhelm

Drei Tonstücke op. 22 für Orgel

hg. von Klaus Uwe Ludwig

Verlag/Label: Breitkopf Urtext EB 8657
erschienen in: organ 2013/03 , Seite 58

Die Drei Tonstücke für Orgel wurden zunächst 1852 beim selben Verlag veröffentlicht und sind nun in einer schön gestalteten, gut lesbaren und auch von den „Blätterstellen“ her benutzerfreundlich konzipierten Neuauflage unter editorischen Ägide des erfahrenen Wiesbadener Organisten Klaus Uwe Ludwig wieder verfügbar.
Niels Wilhelm Gade (1817-90) steht dabei unverkennbar in der Leipziger Tradition von Schumann und Mendelssohn, dessen sechs Orgelsonaten ja nur sieben Jahre zuvor als richtungsweisende Sammlung kontemporären Orgelschaffens erschienen sind. Gade studierte nicht nur ab 1843 am von Mendelssohn gegründeten Leip­ziger Konservatorium, sondern er fungierte auch ab 1847 als zweiter Kapellmeister neben Mendelssohn am Gewandhaus, so dass dessen unmittelbar prägender Einfluss nur allzu natürlich erscheint. So sind die Drei Tonstücke wohl eigentlich, wie sich aus einem Brief Gades an Clara Schumann erschließt, zunächst als viersätzige Sonate geplant, dann aber in der vorliegenden Dreisätzigkeit erschienen.
Zur Zeit der Drucklegung hatte Gade das Amt des Garnisonsorganisten in Kopenhagen inne und war neben vielfältigen anderen musikalischen Verpflichtungen in der dänischen Hauptstadt bis zu seinem Tod 1890 als Organist an der Holmenkirche verpflichtet. Dort erlebte er einen für die damalige Zeit modernen, romantisch expressiven Orgelneubau des Cavaillé-Coll-Schülers Daniel Köhne, der Gades Klang­erwartung als Komponist von acht Sinfonien auch als Organist erfüllt haben dürfte. Aus den klang­lichen Angaben zu den Drei Tonstücken lässt sich die Erwartung einer mittelgroßen zweimanualigen Orgel mit einem ausdrucksvollen Fundus zarter und vielfarbiger Grundstimmen ableiten, doch sind die Kompositionen auch auf einmanualigen Orgeln mit diversen Grundstimmen noch gut vorstellbar.
Darüber hinaus stellen sie eine leicht spielbare Erweiterung des Repertoires auch für nicht professionelle Organisten dar, die über eine gute Klaviertechnik verfügen. Denn mit Akkordbrechungen und einer melodiösen Themenbildung sind sie spürbar dem romantischen Klaviersatz verbunden, wie dies auch bei Mendelssohn grundlegend ist, nur von geringerem Umfang und technischem Anspruch, dabei von ansprechendem und vielseitig einzusetzendem musikalischen Einfallsreichtum.

Ralf Bibiella