Die Thoma-Orgel St. Tertulin in Schlehdorf

Werke von Johann Georg Albrechtsberger, Giovanni Giorgi, Domenico Zipoli, Pompeo Cannicciari, Joseph Haydn, Theodor Grünberger und Giovanni Morandi

Verlag/Label: Spektral SRL4-09056 (2009)
erschienen in: organ 2011/02 , Seite 52

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Wer die Fachpresse aufmerksam verfolgt hat, ist in den letzten Jahren wahrscheinlich auf das rege musikalische Leben rund um die von der Münchener Orgelbaufirma Führer in den Jahren 1997-2000 restaurierte Orgel in Schlehdorf am Kochelsee aufmerksam geworden. Nach Konzerten und Orgelkursen war die nun vorliegende CD-Aufnahme fast überfällig zu nennen. Die 1783 erbaute Orgel präsentiert sich ohne Zweifel sehr gut als typisch süddeutsches Instrument der ausgehenden Barockzeit. Neben dem frischen Prinzipalpleno überzeugen vor allem erwartungsgemäß die charakteristischen Flöten und Streicher, hier besonders die schöne Gambe.
Durchaus überzeugend ist auch, die CD nicht als reines Orgelporträt zu konzipieren, sondern liturgische Chormusik aus dem Umfeld einzubinden. So ist ein Programm entstanden, das italienische und süddeutsche Musik vereint und gleichzeitig einige Ersteinspielungen bringt.
Johann Georg Albrechtsberger ist vor allem als geschickter Kontrapunktiker in die Musikgeschichte eingegangen. Seine geringschätzige Bemerkung über seinen Schüler Beethoven („[Er wird] … nie was Ordentliches machen.“) lässt allerdings Albrechtsbergers ästhetische Position erahnen. Es ist sicher lobenswert, dass sich mit Klemens Schnorr jemand die Mühe gemacht hat, seine Präludien und Fugen op. 6 einmal auf Tonträger zu bannen, doch wirkliche Faszination strahlen die ordentlich (!) und bieder gearbeiteten Stücke nicht aus. Zu glatt sind viele Quintfallsequenzen, zu vorhersehbar viele Wendungen.
Haydns Flötenuhrstücke sind zwar nur als Gelegenheitsarbeiten zu werten, zeigen aber in kleinen Details deutlich mehr Originalität. Schnorr spielt präzise und untadelig, sein Spiel betont allerdings oft eher eine allzu gefällige Glätte der Kompositionen. Auch an Stellen, wo interpretatorische Freiheit am Platz gewesen wäre, wie in Zipolis bekannter Elevation, geht der Organist mit Agogik und Verzierungen sehr maß­voll um.
Der Tölzer Knabenchor singt zu­nächst einige Motetten italienischer Barockmeister. Auch hier herrscht ein gediegener kontrapunktischer Satz vor, wie er auch von Padre Martini gepflegt wurde, Überraschungen bleiben auch hier aus. Eine sympathische Entdeckung ist die deutsche Singmesse mit Orgel­interludien von Theodor Grünberger, die liturgische Praxis zur Erbauungszeit der Orgel wiedergibt. Im Gegensatz zu den lateinischen Motetten, die dem Tölzer Knabenchor vorbildlich gelingen, wirkt die Interpretation bei Grünberger doch etwas maniriert.
Die quasi als „Rausschmeißer“ gedachte Offertoriums-Sonate von Morandi bildet einen vergnüglichen Abschluss, zeigt jedoch auch die Grenzen der Orgel auf. Letztlich fehlen hier die „timballi“ und die Windversorgung atmet dann doch deutlich.
Alles in allem eine recht schön ausgestattete Produktion mit ansprechendem Booklet. Das Programm krankt allerdings an einem Mangel an gewichtigen und bedeutenden Werken. Wer sich für süddeutsche Musik interessiert, wird mit der CD eine vergnügliche Stunde erleben, kennen muss man die aufgenommenen Werke wohl nicht.
Axel Wilberg