Svante Domitzlaff

Die Stumms

Glanz und Schicksal einer Familie

Verlag/Label: Delius Klasing-Verlag, Bielefeld 2023, 192 Seiten, 85 Euro
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/03 , Seite 53

Dies ist kein Orgel-Fachbuch, was jedoch eine seiner Stärken ausmacht. Denn der als Journalist und Publizist für nautische Themen bekannte Svante Domizlaff erzählt hier in reich illustrierten und flüssig geschriebenen Texten die Geschichte der ganzen Familie Stumm aus Rhaunen bei Sulzbach (Hunsrück).
Johann Michael Stumm (1683–1747) war bekanntlich der Gründer der über sechs Generationen wirkenden Orgelbauerdynastie. Weniger bekannt ist, dass sein älterer Bruder Johann Nikolaus (1669–1742) der Ausgangspunkt eines weitverzweigten Schmiede- und Stahlproduzenten-Clans war. Das im Saargebiet und später in Westfalen agierende Imperium konnte es zur Kaiserzeit mit dem Krupp-Konzern aufnehmen, zu dem auch verwandtschaftliche Verbindungen bestanden.
Nach einleitenden Abschnitten zur Wirtschaftsgeschichte der kargen Hunsrück-Region folgt ein rund 30 Seiten umfassendes Kapitel über die orgelbauliche Tätigkeit der Gebrüder Stumm im 18. und 19. Jahrhundert. Anhand weniger, aber klug gewählter Zitate wird der Arbeitsalltag von Handwerkern aus einfachsten Verhältnissen anschaulich; auf fachspezifische Details wird weitgehend und bewusst verzichtet. Beigegeben sind eine Landkarte mit den Wirkungsorten, die sich vom Moselgebiet bis in die Kurpfalz und vom Saarland bis nach Unterfranken erstrecken, sowie eine Werkliste, die mit mehr als 300 Einträgen den Forschungsstand von Franz Bösken um 1970 wiedergibt.
Die solide Handwerkskunst der Gebrüder Stumm konnte Ende des 19. Jahrhunderts nicht mit den auch in Großbetrieben des Orgelbaus angewandten, an der Industrie orientierten Fertigungsmethoden mithalten; 1906 stellte Gustav Stumm da­her den Betrieb ein. – Die „Deutungshoheit darüber, was Stumm ist und was nicht“ (S. 52), sollten wir der noch vor uns liegenden Stumm-Orgelforschung anvertrauen, von der noch viele Erkenntnisse zu erwarten sind.
Der Löwenanteil des repräsentativen Bandes ist den Wechselfällen der ab 1815 geadelten Stahlbarone Stumm gewidmet und liest sich stre­ckenweise bald wie eine märchenhafte Erfolgsgeschichte, bald wie ein handfester Wirtschaftskrimi. Zu denken gibt das tragische Ende der meisten Akteure. Kanonen und Panzerplatten aus dem Stahl-Imperium der Stumms haben wenigen zwar großen Reichtum, der Mehrzahl der Menschen jedoch unendlich viel Leid gebracht. Einige der großartigen Stumm-Orgeln erklingen dafür noch immer – ohne jemandem zu schaden.
Trotz kleiner Ungenauigkeiten im Text und bei Bildunterschriften (z. B. S. 36 und 38) ist es einer der Vorzüge dieses Sachbuchs, das Orgelschaffen der Stumms in größeren kultur- und wirtschaftsgeschicht­lichen Zusammenhang zu bringen und so daran jenseits der Orgelszene Interesse zu wecken. Hierzu trägt auch die üppige, teils aus historischen Fotos bestehende, teils impressionistisch aufbereitete Bebilderung wesentlich bei.

Markus Zimmermann

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