Frank-Harald Greß
Die Orgelbauerfamilie Jehmlich und ihre Werke
Das Œuvre einer der ältesten Orgelbauwerkstätten Europas umfassend – im Sinn von vollständig – darzustellen, würde mehrere Bände füllen. Der Traditionsbetrieb in Dresden-Neustadt befindet sich noch immer in den gründerzeitlichen Bauten an der Großenhainer Straße und wird nun von Ralf Jehmlich in der sechsten Generation geleitet; die Opuszahl 1150 wurde bereits vor einigen Jahren überschritten.
Frank-Harald Greß, jahrzehntelang Wegbegleiter des Hauses Jehmlich, und der in puncto Orgel überaus engagierte Verlag Kamprad vermitteln mit diesem handlichen, übersichtlichen und ansprechenden Band gleichsam ein Konzentrat des Jehmlichschen Orgelschaffens. Es umfasst naturgemäß eine enorme Stilvielfalt, die von der sächsischen Silbermann-Tradition über verschiedene Stufen der Romantik bis zur Orgelbewegung und repräsentativen (Konzert-)Orgeln unserer Zeit reicht. In die flüssig erzählte Firmengeschichte sind aussagekräftige Beispiele mit Disposition und Bild eingeflochten. Ihr Erhaltungsgrad bzw. die letzte Veränderung geht ausschließlich aus dem Fließtext hervor. Erstaunlich ist, dass selbst kleinere Städte und bisweilen auch ländliche Gemeinden im 19. und frühen 20. Jahrhundert ungemein üppig disponierte Orgeln mit teilweise bemerkenswerten Prospekten errichten ließen. Zu den vorgestellten Exoten zählen das 1909 erbaute große Instrument der Villa Stockhausen in Dresden und die Porzellan-Orgeln.
Bei allem Verständnis für die in dieser Publikationsform sinnvolle Straffung kommt vor allem die in den letzten Jahrzenten von der Firma Jehmlich geleistete umfangreiche und anspruchsvolle Restaurierungstätigkeit etwas zu kurz: Sie erscheint nach den Porzellan-Orgeln für Meißen und Yokohama lediglich summarisch. Zu einigen Projekten wie der großen Silbermann-Orgel im Freiberger Dom oder der unlängst abgeschlossenen Wiederspielbarmachung der Welte-Philharmonie-Orgel in einer Villa in Gornsdorf hätte man gerne etwas erfahren.
Dennoch ist es eine gute Idee, die orgelbaulichen Schöpfungen der Jehmlichs aus mehr als zwei Jahrhunderten in Form einer wohlgestalteten und größeren Broschüre – auf starkem Papier, in guter Druckqualität und mit Klappumschlag – zu präsentieren. Die Resonanz dürfte insofern umfassend sein, dass dieser Titel gewiss weitere Interessentenkreise erreichen wird als ein Monografie im erschlagenden Monumentalformat. Auf jeden Fall wirkt diese Darstellung anregend und weckt den Wunsch, zu einzelnen Epochen oder Instrumenten mehr zu erforschen und zu lesen.
Markus Zimmermann