Die Johann-Patroclus-Möller-Orgel in der ehemaligen Benediktiner-Abteikirche Marienmünster

Werke von C. Ph. E. und J. S. Bach sowie Heinrich Nikolaus Gerber

Verlag/Label: TYXart, TXA 12015 (2013)
erschienen in: organ 2013/02 , Seite 52

4 von 5 Pfeifen

Das in den Jahren 1736-38 von Johann Patroclus Möller für die Abtei Marienmünster mit 42 (heute: 42 + 2) Registern auf drei Manualen und Pedal erbaute Instrument präsentiert sich nach der jüngsten, durch die Straßburger Manufacture d’Orgues Muhleisen durchgeführten Restaurierung (Wiedereinweihung: November 2012) als das am besten erhaltene Werk des bedeutendsten westfälischen Barock-Orgelbaumeisters. Das Instrument besitzt zwar nicht mehr die historischen Springladen, bietet sich optisch und klanglich aber als bildschönes Orgelmonument dar, das durch den originalen Prospekt, den zu achtzig Prozent erhaltenen Pfeifenbestand und die im Laufe der Jahrhunderte vergleichsweise geringen Eingriffe in die Originalsubstanz besticht; dazu eingebettet in die pittoreske Klosterkirche mit einem unvergleichlichen landschaftlichen Ambiente. Zur Wiedergewinnung der originalen Charakteristik der Orgel arbeitete man u. a. mit dem Fraunhofer-Institut für Klangphysik in Stuttgart zusammen, das entsprechende akustische Messungen durchführte (Stimmton­höhe a’ = 472 Hz bei mitteltöniger Temperierung). Nach historischen Vorbildern wurden Spiel- und Registertraktur, Spieltisch und Balg­anlage rekonstruiert und Retuschen am Prospekt vorgenommen.
Gerhard Weinberger, von 1983 bis 2011 Professor für Orgel an der benachbarten Detmolder Musikhochschule, gebührte das ius primi disci nach der Restaurierung. Die ausgewählten Werke von Carl Phi­lipp Emanuel Bach und Heinrich Nikolaus Gerber (Duette und Inventionen) lassen am ehesten erkennen, welche Literatur den individuellen Fundus terzhaltiger Re­gis­ter, grundtönig angelegter Prinzipale, abgerundeter, nobler Zungen und sich am altniederländischen Orgelbau orientierender Flötenstimmen am wirkungsvollsten auf den großen westfälischen Instrumenten zur Zeit des Erbauers Möller repräsentiert – fehlen doch jegliche Dokumente von im 17. und 18. Jahrhundert aufgeführter westfälischer Orgelmusik. Weinberger widmet J. S. Bach eine umfangreiche, zum Teil virtuos angegangene Betrachtung mit Dorischer Toccata und Fuge BWV 538, c-Moll-Passacaglia BWV 582 (hier hätte die farbenprächtige Registerpalette der Möller-Orgel gewiss auch noch individueller „ausgereizt“ werden können) sowie stilvoll-geschickten Einrichtungen des Interpreten des Kantaten-Einleitungssatzes BWV 156 sowie des d-Moll-Concertos für Oboe, Violine, Streicher und Basso continuo nach Marcello BWV 974 und einem Konvolut an Choralvorspielen, unter denen sich drei Bearbeitungen nach Kantatenvorlagen im Stil der Schübler’schen-Choräle finden.
Interpretation, Aufnahmetechnik und reich illustriertes Booklet tragen hörens- und lesenswerten Dokumentarcharakter und bilden gleichzeitig eine gelungene Einführung in den derzeit weitgehend wiedergewonnenen historischen Orgelbestand der Kulturlandschaft West­falen.

Wolf Kalipp