Estermann, Kurt (Hg.)

Die Christoph-Egedacher-Orgel der Liebfrauenkirche in Kitzbühel

Tiroler Orgelschatz, Band 3

Verlag/Label: Helbling, Esslingen 2015, 208 Seiten, inkl. Audio-CD, 39,90 Euro
erschienen in: organ 2016/01 , Seite 63

Nach der Daniel-Herz-Orgel der Stiftskirche Wilten zu Innsbruck (Band 1) und der Daniel Herz-Orgel in der Frauenkirche zu Brixen (Band 2) präsentiert Herausgeber Kurt Estermann im dritten Band der Reihe „Tiroler Orgelschatz“ die Christoph (II)-Egedacher-Orgel der Liebfrauenkirche in Kitzbühel und wendet somit den Blick ins östliche Nordtiroler Unterland bzw. weitet diesen in den Salzburger und südbayerischen Kulturkreis hinein.
Wie der Herausgeber im Vorwort betont, sind die drei Bände einheitlich gegliedert. Den Hauptbeitrag bildet jeweils die Bestandsaufnahme des Instruments: die genaue Beschreibung aller wesentlichen Teile nach Material, Konstruktion, Anordnung und Funktion, sodann Tabellen der wesentlichen Maße wie Tastenlängen, Stichmaße, Pfeifenmensuren, außerdem eine Fotodokumentation wichtiger Teile sowie schließlich Planzeichnungen wesentlicher Teile wie z. B. der Windladen. Parallel dazu wird der Restaurierungsbericht in aufgearbeiteter Form in einen größeren Kontext eingebettet, der folgende Bereiche berücksichtigt: die Biografie und Bedeutung des jeweiligen Orgelbauers, die jeweils betroffene Werkliste des Orgelbauers, den architekturgeschichtlichen Zusammenhang von Kirchenraum und Instrument, die lokale Musikpflege in Beziehung zum Instrument, schließlich das entsprechende Repertoire der Orgel; dazu gibt es noch eine CD mit aktuellen bzw. historischen Tondokumenten und weiteren informativen Daten. AutorInnen sind neben dem Herausgeber Reinhard Böllmann, Franz Gratl, Michaela Krucsay, Alfred und Mat­thias Reichling sowie Manfred Rupert.
Das 1664 von Christoph (II) Ege­dacher (1641–1706) erbaute vier­registrige Positiv wurde in der Kitzbüheler Stadtpfarrkirche zum Heiligen Andreas aufgestellt und 1907 auf die Empore der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Liebfrauenkirche versetzt. 1917 wurden die Prospektpfeifen für die Kriegsrüstung beschlagnahmt. 1960 wurde das Positiv notdürftig spielbar gemacht, 1979 von Johann Pirchner wiederhergestellt und 1995 von Rudolf Kubak überholt.
Das Besondere der Reihe „Tiroler Orgelschatz“ liegt nicht nur darin, dass dem Leser organologische As­pekte durch detaillierte Abhandlungen und brillante Fotos verdeutlicht werden. Der darüber hinaus aufbereitete kulturgeschichtliche Kontext (s. o.) ist nicht weniger interessant und trägt wesentlich zum Verständnis bei – hier etwa die Bau- und Orgelgeschichte der beiden Kitzbühler Kirchen, der Passauer Hof- und Domkapellmeister Benedikt Anton Aufschnaiter und seine Beziehungen zur Orgelbauerfamilie Egedacher, der 1848 von Thomas Simon aus Mittenwald gebaute Kontrabass aus dem Inventar der Andreaskirche, die Muffat-Rezeption in Tirol u. a.
Auf der beigefügten CD lässt Kurt Estermann mit Kompositionen u. a. von Georg und Gottlieb Muffat, Frescobaldi, Albrechtsberger und eigenen Werken das Positiv prachtvoll erklingen.
Dieses Buch sowie die gesamte Reihe „Tiroler Orgelschatz“ haben insgesamt Vorbildcharakter und sollten als gültiger Maßstab für künftige organologische Publikationen vergleichbarer Art angesehen werden.

Achim Seip